Die Schmerzreduktion auf ein Minimum im Falle von Interviews mit unangenehmen Zeitgenossen funktioniert so: Ich frage was ich will, der Unsympathler antwortet was er will und ich schreibe schließlich was ich will.
Wir alle wissen, objektive Journalismus existiert nicht. Falls der eine oder andere haarspaltende Chefredakteur einer seriösen Qualitätszeitung (wie immer sich diese definiert) dies lesen möge: Ob radikal oder moderat objektiv ist mir wurscht. Tatsache ist, wir können unser Hirn nicht von Erfahrungen und Werten befreien und uns bei der Auswahl von Fragen, Formulierungen und Bildmaterial rein vom Faktencheck abseits jeglicher Gefühle leiten lassen. Weil das nicht funktioniert, bleiben all unsere Bemühungen um Objektivität eben nur bestmögliche Versuche.
Bitte nehmt meinen Eingangssatz nicht bierernst, natürlich bemühe ich mich um political correctness (bin ja eine seriöse Journalistin ;), aber ein Fünkchen Wahrheit ist doch dabei. Mit unserer Themenauswahl geben wir eine Richtung vor – und das tun wir bewusst, das ist ja auch unser Job. Und da ich täglich mit einer ordentlichen Informationsflut zugedeckt werde, mein redaktioneller Platz begrenzt ist und ich permanent entscheiden muss, was rausfliegt und was gedruckt wird, gehören viel Fingerspitzengefühl und politische Fairness zu meinem Job.
Umso befreiender ist dieser Blog. Ich kann tatsächlich schreiben was ich will und bekomme keine Beschwerde-Mails, weil ich über dieses wahnsinnig wichtige Dorffest, über die Gehsteigsanierung in Hinterholz oder über die Verleihung der Franz-Josef-Plakette für 50 Jahre Vereinszugehörigkeit des Huber Franzls nicht in ausreichendem Maße berichtet habe. Und wenn ich in meinem Reiseblog diesmal nicht über Reisen sondern über meine Heimat schreiben will, dann tue ich das einfach.

Außerdem habe ich eine Rüge von meiner Freundin Ute bekommen. Ich habe vor Kurzem über meine Lieblingsplätze in Österreich geschrieben und die March-Thaya-Auen nicht erwähnt. Naja, ich war eben im Reisemodus und was man täglich vor der Nase hat, fasziniert nicht so wie das Neue.
Jetzt also die March-Thaya-Auen. Heute hatte ich Home Office und hab die Mittagspause für eine schnelle Runde durch die Au genützt, denn wir Rabensburger haben das Paradies fünf Minuten von der Haustür entfernt. So sieht es einen Kilometer von meinem Haus entfernt aus:
March und Thaya sind Tieflandflüsse an den Grenzen Österreichs zur Slowakei und zu Tschechien. Wegen der jährlichen Hochwasser und des damit verbundenen besonderen Lebensraum zählen die Auen mit über4 15.000 Hektar zum Natura-2000-Raum. Das Vogelschutzgebiet ist 8880 Hektar groß. Wir haben etliche Wasser-, Wat und Singvögel, ingesamt 230 Arten, dann haben wir Amphibien wie den Donau-Kammmolch oder die Moorfrösche, deren Männchen im Frühling – natürlich um die froschige Damenwelt zu beeindrucken – knallblau werden. Ausgerottet und wieder angesiedelt sind die Biber, die bei der Landwirtschaft mit ihrer Neigung zum Staudammbauen nicht immer Begeisterung erwecken. Also ihr seht, unsere Au ist ziemlich lebendig.

Übrigens sind wir auch schon auf der Thaya mit einem Boot unterwegs gewesene, allerdings nicht mit unserer Maha Nanda, denn die acht Tonnen Stahl würden bei einem Meter Wassertiefe einfach mal im Thayaschlamm stecken bleiben, aber mit Schlauchboot und Kanu geht das wunderbar. Da wird die Kulturanthropologin in mir geweckt und wenn ich das Plastikkanu gedanklich wegzaubere, sitze ich in einem Einbaum und paddle durch den brasilianischen Regenwald. Tatsächlich werden March und Thaya als „Europas Amazonas“ bezeichnet und wenn nicht gerade Schnee und Eis die Landschaft bedeckt, hat unsere Au schon etwas Dschungelartiges.

Sich ein bisschen mit Knotologie auszukennen hat übrigens auch beim Schlauchbootfahren seine Vorteile, denn Captain Christoph und seiner Crew, bestehend aus den Söhnen Johannes und Matthias, passierte vor etlichen Jahren auf der March ein kleines Missgeschick. Johannes bekam eine Leine in die Hand gedrückt, mit der Aufforderung, das Boot zu halten und während Klein-Johannes, am Ufer herumzappelte und vergeblich versuchte, die lästigen Gelsen abzuwehren, schrie Matthias. „Papa, das Boot ist weg.“ Tatsächlich hatte sich der Knoten gelöst und Johannes stand mit der Leine, deren Ende bootlos ins Wasser baumelte, am Ufer. Zum Glück stürzte sich Papa Christoph todesmutig in die Fluten (Wasserstand zirka ein halber Meter) und rettete das Boot samt wertvollem Inhalt wie Pässe, Fotokamera und Wasserflasche.