Ohne Rotwein und Baguette auf der Suche nach Menhiren

Wer kommt eigentlich auf die Idee, über Tausend Kilometer zu fahren, um zwei Wochen lang auf der Suche von einem Stein zum nächsten herumzuirren, und das dann auch noch Urlaub zu nennen? Schuld an dem Ganzen war eigentlich meine Französisch-Lehrerin. Vier Jahre hatte sie mich im Gymnasium unterrichtet und in jeder zweiten Stunde hatte sie von der Bretagne geschwärmt, wo man in ihren blumigen Erzählungen vorzugsweise auf Wiesen saß, Rotwein trank und Baguette mit Käse aß. Also dachte ich jahrelang, die Bretagen müsse höchst unberührt und romantisch sein – und verfressen war ich ja immer schon.

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Captain Christoph, damals noch sehr jung und blond, den Kopf voller verrückter Ideen und noch weit vom Kapitäns-Patent entfernt, ließ sich von meiner Begeisterung für Rotwein und Käse anstecken, kaufte einen Reiseführer und erklärte schließlich, wir müssten mit dem Wohnmobil in die Bretagne fahren, um von einem Menhir zum anderen zu reisen, denn so hatte er erfahren, jene Steine, die jedes historische Nackerpatzerl aus Asterix und Obelix kennt, stünden dort haufenweise in der Gegend herum und warteten auf unsere Besichtigung.

Wir mieteten ein kleines Wohnmobil, das kleinste das es gab – eben unserem Urlaubsbudget entsprechend. Schließlich würden wir ja, wenn wir nicht gerade on the road wären, im Freien unter der Markise sitzen und Baguette, Käse und Rotwein genießen. Luxus wie Campingtoilette und Dusche wird überbewertet…

Streitkultur auf höchstem Niveau

Am ersten Tag kamen wir bis Ulm, wo die Nacht so heiß war, dass wir nach fünf Minuten aus dem Alkoven rauskrabbelten und auf der umgeklappten Sitzbank schliefen. Dann kam das Loiretal und mit ihm der Regen. Habe ich schon erwähnt, dass ich Paaren misstraue, die in permanenter Harmonie mit einem Lächeln auf den Lippen leben, ohne dass jemals Missstimmung herrsche oder gar ein böses Wort den paradiesischen Liebeszustand trüben würde? Also, streiten können wir und das haben wir niemals in den über 30 gemeinsamen Jahren besser bewiesen, als in Frankreich vor ganz langer Zeit. Das Loiretal ist wunderschön, wir sahen Amboise, Blois, Chambord und Chenonceau. Allerdings haben wir auch viel Zeit mit Kleidungtrocknen verbracht, aber auch mit Diskussionen, denn bei Paris haben wir uns zum ersten Mal verfahren, und dann noch ungefähr zehn weitere Male. Zu unserer Verteidigung: es gab kein Smartphone, kein Navi und wir hatten unzulängliche Straßenkarten und dazu einen Reiseführer mit vagen Wegbeschreibungen, die manchmal stimmten – aber eben nur manchmal.

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In der Bretagne haben wir Stunden mit der Suche nach Menhiren verbracht, denn Captain Christoph hatte sich in den Kopf gesetzt, mindesten 92 der 184 Dinger zu sehen und zu fotografieren, koste es so viel Zeit und Nerven wie es wolle. Ich erinnere mich noch an den Menhir von Kerloas und an den von Kergardiou. Dann erinnere ich mich auch an den Menez-Hom, die höchste Erhebung der Bretagne, wo ich mich weigerte auszusteigen, denn der Wind blies so heftig, dass die Grashalme waagrecht standen und ganz einsam – wir waren die einzigen Wahnsinnigen, die bei so einem Wetter da oben unterwegs waren – trafen wir einen kleinen mobilen Eisstand an. Von dem im Reiseführer als „überwältigend“ beschriebenen Panorama sah Christoph trotz heldenhaften Aufstiegs auf den 330 Meter hohen „Gipfel“ nichts. Zum Einen wegen der Regenwolken zum Anderen aufgrund der Tränen, die ihm der Sturm in die Augen trieb.

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Bei Point du Raz schien endlich die Sonne, was uns zu der wahnsinnigen Idee trieb, mit unseren Rädern die Küste entlang zu fahren. Endlich Schönwetter, hurra! Wir hatten nicht mit dem Sturm vom Atlantik Richtung Festland gerechnet und obwohl jung und sportlich: wir kamen kaum vom Fleck. Bei Regen sahen wir das wunderschöne Quimper, wir besuchten bei Regen den Mont Saint Michel und bei Regen spazierten wir durch Paris. Müßig zu sagen, dass wir kein einziges Mal in diesem zweiwöchigen Urlaub unter der Markise gesessen sind und – noch schlimmer – kein einziges Mal Baguette, Käse und Rotwein auf der Wiese genossen haben.

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Die ersehnte Sonne und sommerliche Hitze kam auf der Rückfahrt, irgendwo im Deutschland, als wir noch 600 Kilometer ohne Klimaanlage vor uns hatten. Unser Fazit: Wenn du die Bretagne bereist, vergiss die Regenjacke nicht und habe einen Plan B, wenn’s mit dem Freiluftgenuss nix wird.

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