Zwei Männer, ein Plan und 1000 indische Kinder: das Wunder von Pagandai

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Ich kenne ein Dorf in Südindien, da konnte vor 30 Jahren kein Mensch lesen oder schreiben – nicht einmal seinen Namen. Heute stehen in dem Dorf zwei Schulen und fast 1000 Kinder haben Schulbildung. Es war nicht die indische Regierung, die diese Leistung zustande gebracht hat, es waren zwei Männer. Ein indischer Priester und ein österreichischer Unternehmer. Don Bosco und Friedl Doschek aus Strasshof.

Am Wochenende waren wir bei einer Geburtstagsparty. Friedl Doschek wurde 70 Jahre alt und wünschte sich von seinen Gästen ein Ultraschallgerät. Also das Geld dafür. Natürlich nicht für sich, denn Friedl würde niemals materielle Wünsche äußern. Das Fest war seinem indischen Sozialprojekt gewidmet, eben jenem, das er vor 30 Jahren gemeinsam mit dem indischen Priester Don Bosco initiiert hatte, um den Menschen, die keinen Zugang zu Bildung hatten eine neue Perspektive zu geben. Hand in Hand.

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Lotte und Friedl

Jetzt wirst du dich fragen, wie können zwei Menschen so viel bewegen? Ja, das frage ich mich immer noch, obwohl ich selbst in dem Dorf Pagandai Kootu Road in Tamil Nadu war, Don Bosco kennengelernt und die Schulen und Schüler mit eigenen Augen gesehen habe. Es ist einfach faszinierend, was persönliches Engagement, Überzeugung und Liebe vermögen. So, jetzt verwende ich das Wort Liebe, ich weiß es klingt pathetisch. Klar doch: christlicher Priester, Nächstenliebe und all diese Worthülsen, der sich die Kirche so gern bedient. Aber Christoph und ich haben einen Monat im Haus von Don Bosco gemeinsam mit seiner Familie gelebt und wir haben Tage gebraucht, um uns an diese zu gewöhnen. Nix von wegen Kulturschock oder so! Wir waren ja schon mal vor langer Zeit für lange Zeit in Indien und sind so seltsam leicht wieder in diese Welt, die wir so lieb gewonnen haben, eingetaucht, als wären keine 25 Jahre sondern 25 Tag vergangen. Es war diese unglaubliche Wärme, die uns die Menschen im Haus von Don Bosco entgegenbrachten, die für uns, typische Mitteleuropäer, schwer zu begreifen war. Zum Abschied schrieb ich an Father Don Bosco: „We came as foreigners and we leave as friends.“ Wir waren quasi Teil der Familie – und zwar gefühlt wie ihr wichtigster, wir wurden umsorgt, verwöhnt und so unglaublich respektvoll und herzlich behandelt, wie wir es noch nie erlebt hatten.

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Christoph und der siebenjährige Jevin

Don Bosco hat tatsächlich sein ganzes Leben der Hilfe für Arme verschrieben. Und im Gegensatz zu jenen Priestern, die ich bisher kennengelernt habe, lebt er diesen Grundsatz. „We can’t do everything, but we try our best“, war sein oft zitierter Leitspruch. Was er so den ganzen Tag tut, ist jedenfalls mehr als zehn faule Männer zusammen schaffen. Der Mann der niemals schläft, startet seinen Arbeitstag um 3 Uhr, er fährt mit dem Motorrad stundelang durch den Wald zu Messen oder zur Seelsorge, er ist Schuldirektor, Spitalsleiter, der wichtigste Mann im Dorfrat, ja der wichtigste Mann im Dorf. Wenn wir schon längst im Bett lagen, war er immer noch wach und bereitete die Predigt für den nächsten Tag vor oder schrieb die Formbögen für seine Patenkindern.

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Schülerinnen aus Pagandai

Stichwort Patenkinder. Das ist der Kern von „Hand in Hand“. Vor 30 Jahren war Friedl Doschek durch Zufall im Zusammenhang mit einem Entwicklungshilfeprojekt in Südindien gelandet. Eine offizielle Unterschrift musste im Dorf gesetzt werden und da wurde Friedl plötzlich klar, dass es weit und breit keinen einzigen Menschen im Dorf gab, der schreiben konnte. Per Handschlag versprach er Don Bosco beim Abschied. „I will help you, I will help India.“

15 Jahre bis zum Spital

Die Idee war, über österreichische Pateneltern ein paar Kindern die Chance zu geben, lesen und schreiben zu lernen. Aus der „kleinen“ Idee wurde ein großes Hilfsprojekt. Der umtriebige und großherzige Friedl schaffte es tatsächlich, viele Freunde und Bekannte zu mobilisieren, kleine und große Spenden wurden getätigt, Friedl ließ sämtliche berufliche Kontakte spielen und so konnten mit österreichischen und deutschen Geldern zwei Schulen und ein Spital in einem 500- bis 2000-Seelen-Dorf (wie viele Einwohner Pagandai Kootu Road hat, weiß niemand) gebaut werden. Das Wunder von Pagandai, nannte Friedl die Spitalseröffnung, auf die er 15 Jahre hingearbeitet hatte.

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Don Bosco, Jevin, die Spitalsbelegschaft und wir im Februar 2018

Ich hoffe, die Geschichte geht weiter, denn 1000 Kinder wurden und werden unterstützt, aber letztendlich lebt in Indien über eine Milliarde Menschen, 400 Millionen davon fallen unter die Armutsgrenze, es ist also noch eine Menge zu tun. Pläne gibt’s schon jede Menge und wer Indien kennt, weiß, dass noch viel Geduld, Zeit und die Überwindung von bürokratischen Hürden notwendig sein werden, um ein Heim für Krankenschwestern und ein Witwenhaus zu bauen. Gemeinsam mit österreichischer Hilfe sollen Kühe als Einnahmequelle für Witwe erworben werden, das Spital, das vor eineinhalb Jahren eröffnet wurde und vor wenigen Wochen die offizielle Betriebsgenehmigung erhalten hat, muss ausgerüstet werden, man braucht Ärzte, Medikamente und Geräte. Ach wozu aufzählen? Man braucht alles und es fehlt so viel!

We do our best

Wir wollen ein bisschen dazu beitragen, dass die Geschichte weitergeht. Wir wollen Mediziner für das Projekt gewinnen. „Es wäre so wichtig, dass österreichische Ärzte für ein paar Wochen im Spital mitarbeiten“, sagt Friedl Doschek. Wir wollen Paten finden, Leute die Medikamente spenden, Menschen, die eine Zeit in Pagandai verbringen und dort in der Schule oder im Spital mithelfen. Das ist unser Plan. Um einen weiteren von Don Boscos Lieblingssprüchen zu zitieren. „I know, you can’t promise but you do your best.“

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Die Hauptstraße von Pagandai Kootu Road