Von Greisinnen, betagten Damen und alten Freundinnen

Die Liste jener Dinge, die wir ein Jahr lang nicht vermissen werden, ist lang. Sie reicht von A wie Auto bis Z wie Zugverspätung. Ob ihr es glaubt oder nicht, ich werde auch nicht meine 30 Paar High Heels vermissen. (Vielleicht nehme ich ein paar davon mit an Bord – prophylaktisch, damit erst gar keine Sehnsucht aufkommen kann.) Wahrscheinlich werd‘ ich mich gelegentlich nach mehr Komfort sehnen, nach einer heißen Dusche oder der perfekten Raumtemperatur auf Knopfdruck. Etwas wird uns aber bestimmt fehlen (besser gesagt jemand): die Menschen, die wir lieben. Unsere Familie, allen voran die besten aller Söhne, und unsere engsten Freunde.

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Plötzlich 50: Veronika, ich und Elke

Die wenigsten Österreicher leben Nomaden-Dasein, die meisten Leute in unserem Freundes- und Bekanntenkreis gehören zur Kategorie der Sesshaften, für viele von ihnen ist ein ganzes Jahr fernab der Heimat unvorstellbar. Ein Interviewpartner aus einer kleinen Stadt nahe unserem Heimatort erklärte mir einmal: „Wenn ich aus der Stadt rausfahre und die Ortstafel passiere, fängt schon mein Heimweh an.“ Bald werden wir für ein Jahr das Nomadenleben testen und sind schon sehr gespannt, wie es uns bekommt, denn bisher waren wir zwar reiselustig aber was den Wohnsitz betrifft so sesshaft, wie es sich für Österreicher eben gehört. Entsprechend eng sind auch einige besondere Freundschaften mit jenen Menschen, die wir schon lange kennen, mit denen wir viele gemeinsame Geschichten und Erlebnisse verbinden, die Teil unseres Lebens geworden sind. Aber die wahren Freunde verliert man eh nicht durch räumliche Distanz, die Freundschaft bekommt dadurch nur eine andere Ebene.

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Veronika, Ulli und Elke 1973

Am Wochenende hat meine Freundin Elke 50. Geburtstag gefeiert. Sie ist meine älteste Freundin – nicht in ihren Lebensjahren sondern im Sinne der Freundschaftsjahre: 47. In Worten: siebenundvierzig. Genauso lang kenne ich Veronika, denn wir drei Mädels sind gemeinsam in den Kindergarten gegangen, gemeinsam in die Volksschule und gemeinsam ins Gymnasium.

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Wir sind im gleichen Jahr von Niederösterreich nach Wien übersiedelt und ich glaube, aus unserer ersten Lebenshälfte gibt es wenige wichtige Momente, die wir nicht miteinander geteilt oder erlebt haben. Und auch wenn wir uns jetzt viel seltener sehen, ist die Freundschaft die gleiche wie damals, als wir nächtelang durchgetratscht, die erste heimliche Ausfahrt mit dem Mofa gewagt, voneinander Hausübungen abgeschrieben, uns unseren Liebeskummer von der Seele geredet und um Lappalien gestritten hatten. Ganz zu schweigen von der Zeit als wir zu dritt in der Puppenecke Mutter-Vater-Hund gespielt hatten und unsere Kindergartentante (so hießen die Pädagoginnen in grauer Vorzeit) Elke zur Strafe allein in die andere Ecke setzte, weil ich zu laut gebellt hatte.

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Best friends, 1982

Wir drei Mädels wissen, wie wir aussehen, wenn wir panisch vor Angst an der Tafel vorm Lehrer stehen und das absolute Blackout haben, wir kennen unsere verheulten Gesichter in den schrecklichsten, dunkelsten Stunden unseres Herzschmerzes und unsere strahlenden Augen, als unsere Kinder geboren wurden. Vielleicht werden wir irgendwann mal gemeinsam in einer Altweiber-WG leben und unsere jungen Pfleger mit rotzfrechen Sprüchen à la Golden Girls zur Verzweiflung treiben, wer weiß. Ja, ich hör schon eure spitzen Schreie der Empörung: von der Golden-Girls-Attitüde sind wir noch Jahrzehnte entfernt. Unser derzeitiger Aggregatzustand lässt sich am besten beschreiben als… ja was eigentlich? 50+ gilt ja nicht gerade als jung, aber alt sind wir doch auch nicht, zumindest nicht in den Augen meiner 98-jährigen Omi. Frauen mittleren Alters? Klingt grauenhaft.

In den besten Jahren? Deprimierender Versuch der Selbsttäuschung, obwohl: so frei wie jetzt mit 50 war ich die letzten 25 Jahre nicht. Und schließlich muss eh jeder für sich wissen, wann er sich als Best Ager fühlt. Also. Ich: jetzt!

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Da fällt mir übrigens eine Frage meines Papas, der heuer 81 wird und noch lange nicht in Pension gehen möchte, ein: Ab wann ist ein Mensch ein Greis? Und ist „betagter Mann“ eine zulässige Beschreibung seiner Person?

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Party? Yes we can!

 

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