Schluss mit Jammern: Wenn das unermessliche Leid ein Ende hat

Bald sind die 500 mageren Monate vorüber, jetzt folgen die zwölf fetten. „Worüber werde ich ab Mai jammern?“, fragte mich heute der leidendste Ehemann von allen. Denn Captain Christoph und ich ergänzen uns perfekt in unserer Gegensätzlichkeit und dazu gehört unter anderem: Er ist Pessimist, ich bin Optimistin. Im Alltag wirkt sich diese seine Charaktereigenschaft dahingehend aus, dass er gern und wortreich jammert. Und glaubt mir, wenn Mann will, findet sich immer ein Grund. Das beginnt beim Kaffeepackerl in der Früh, das sich grundsätzlich nicht öffnen lässt, ohne den Großteil des gemahlenen Kaffees auf Küchenplatte und Bodenfliesen zu verteilen, es geht weiter bei der Feststellung, dass schon wieder Sonntagmorgen und damit in wenigen Stunden das Wochenende vorbei ist und endet mit einem Vortrag über die Leiden des Katzenbesitzes, wenn die eingetrocknete Hinterlassenschaft unseres fast 18 Jahre alten und offensichtlich unter Altersdemenz leidenden Katers Anatol entdeckt und entfernt wird.

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Jetzt muss ich noch schnell ergänzen, dass Christoph auch richtig fröhlich und gut gelaunt sein kann (Dauergranteln würde ja selbst den optimistischen Optimisten wie mich in die Flucht schlagen), aber mit einem hat er schon recht: Dem Zweifel daran, ob unser Lebensmodell Anspruch auf Alleingültigkeit hat. Ich meine das Lebensmodell der arbeitenden Menschen in einer Pendlergemeinde, die täglich fluchend den Wecker nach dem vierten Mal Läuten abstellen, im Finsteren aufstehen, im Stehen einen schnellen Kaffee trinken und sich dann auf den Weg machen, um eineinhalb bis zwei Stunden zu ihrem Arbeitsplatz zu fahren, in dem Wissen, dass sie genauso lang wieder zurückfahren müssen. Wenn sie nicht im Stau stehen oder der Zug ausfällt. Dann dauert es entsprechend länger. Wie viele Menschen finden 40 Jahre lang Erfüllung in ihrer Arbeit und wie viele freuen sich beim Aufwachen auf die Herausforderungen des Arbeitstages? Einige auf jeden Fall – hoffentlich. Aber viele andere…

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Vernissage, Café Anton Frank Wien

Christoph ist jetzt nach Jahren des Pendelns in einer Lebensphase, in der er Zugfahren hasst. Jede Verspätung sieht er als beispiellosen Rachefeldzug der ÖBB gegen seine Person. Da hilft nur mehr die Flucht. Auf Maha Nanda. Wo wir bestimmt auch das eine oder andere Mal wegen der Tide zum Aufstehen vor Sonnenaufgang gezwungen werden, aber der Gedanke, nicht am Bahnsteig mit etlichen in schwarze Daunenjacken und Wollmützen gehüllte Jammergestalten, die schweigend ihrem Schicksal ergeben auf den Zug von Breclav nach Payerbach warten und warten und warten…, stehen zu müssen, erfüllt den Captain mit Freude.

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Vernissage in Wien, die drei Künstler: Christoph, Harald, Wolfgang

Wir blenden jetzt einfach dieses unermessliche Leid des Pendlerdaseins aus und sieh da, es gibt so viele schöne Momente in unserem Leben. Am Freitagabend zeigte sich der verhärmteste Ehemann von allen von seiner eloquentesten Seite. Im Café Anton Frank in Wien war Party angesagt. Ein ehemaliger Kollege, mein Bruder und Christoph hatten zur Vernissage geladen und weil die drei wissen, wie man für beste Stimmung sorgt, waren zwei Musiker mit von der Partie – die einander noch nie zuvor gesehen hatten. Was tun ein begnadeter Saxophonist und ein kongenialer Gitarrist, die gemeinsam auftreten sollen aber keinen einzigen Ton miteinander geprobt haben? Richtig: sie jammen. Und damit war der Abend perfekt. Coole Musik, ganz viele Freunde und ganz viel Familie (so schön, dass ihr alle unserer Einladung gefolgt seid:) und sehenswerte Kunst.

Jetzt muss ich noch ganz schnell was loswerden. Theoretisch wäre es ja naheliegend, dass ich des Meisters Muse bin, eine andere Frau gibt’s ja nicht an seiner Seite (soweit ich weiß), aber bitte: Stellt mir nicht mehr die Musen-Frage, nachdem ihr Christophs Bilder betrachtet habt! Ich weiß, ich bin nicht mehr die Jüngste, aber so schiarch (Hochdeutsch: hässlich) bin ich doch nicht. Hoffentlich.

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