Liebe Drehbuchautoren unter euch Lesern, lest jetzt bitte weiter. Die Reise der Familie Potmesil ist filmreif. Und ja, ich verkaufe die Rechte gerne an Hollywood, allerdings nur für viel Geld, denn die Story hat Potenzial für einen Blockbuster.
Szene 1: Der Garten der Familie Potmesil am späten Nachmittag: Die Eltern sind gerade beim Beladen eines Wohnmobils, die zwei kleine Buben tollen durch die Wiese. Die besten Freunde der Familie stehen zweifelnd daneben, schauen sich das Gefährt von allen Seiten, innen außen, oben und unten an, dann meint
Freundin Ute: „Seid ihr sicher dass ihr mit der alten Karre so weit fahren wollt?“
Ulli: „Warum nicht, das Ding hat über 200.000 Kilometer am Buckel, da wird es ein paar mehr auch schaffen.“
Freund Hartmut: „Also ich würd‘ dem nicht trauen. Wenn ihr damit mal nicht unterwegs liegen bleibt!“
Christoph: „Na geh, die Verleihfirma ist echt seriös und versichert sind wir auch. Immerhin: Das war das billigste Wohnmobil im Angebot.“
Das Unternehmen unseres Vertrauens
Das war der Beginn unseres zweiwöchigen Familienurlaubs, unser Ziel war Ligurien, unser Plan: möglichst viele schöne Orte in zwei Wochen entdecken, Zeit für zwei kleine Buben haben, familiengerecht, stressfrei und günstig wohnen und an kein Hotel, kein Gasthaus und keinen Ort gebunden sein. Das Angebot einer Firma im Raum Wien klang vernünftig, das Wohnmobil hatte die perfekte Größe für uns vier, ein älteres Modell zwar, aber, wie der technische Fachmann – nämlich Christoph – überzeugt sagte: „Das ist sicher top-gewartet, was anderes können sich die gar nicht leisten…“
Wir waren gerade in Tirol, also einige Stunden unterwegs, als die Kühler-Anzeige in den roten Bereich wanderte. Gut, bis hierher war es kühl und regnerisch gewesen, aber 22 Grad Außentemperatur sind wohl kein Grund für einen überhitzten Kühler! Es war eh Zeit für eine kleine Pause, wir jausneten am Parkplatz, stiegen wieder ein. Na geht doch! Alles wieder ok. Leider nur für wenige Minuten, der Zeiger wanderte wieder…
Aus der Motorhaube begann’s zu dampfen, also rein in die nächste Parkbucht und den ÖAMTC angerufen. Als wir endlich das rettende gelbe Auto sahen, winkten wir beide den Fahrer heran, der winkte fröhlich zurück – und fuhr weiter. „Unser Techniker hatte gedacht, Ihr Winken bedeutet: alles in Ordnung“, erklärte die Dame am Telefon kleinlaut. Christoph kochte vor Wut wie der Kühler. Schließlich konnte der winkende ÖAMTC-Mitarbeiter doch von unserer Notlage überzeugt werden und er entdeckte den Defekt: einen nicht funktionierender Ventilator. „Ich stelle den Ventialtor auf Dauerkühlung, damit kommen Sie locker in die nächste Werkstatt“, versicherte der gute Mann, sprach’s, schlug die Motorhaube zu und fuhr winkend davon.
Was soll ich sagen: Es war mittlerweile Samstagabend, keine Werkstatt hatte mehr offen, die Hotline der Verleih-Firma, deren Namen gnadenhalber nicht genannt werden soll, führte in die Sprachbox: „Sie rufen leider außerhalb unserer Geschäftszeiten an…“
Im Kriechtempo über den Brenner
Im Familienrat siegte der Optimismus: „Wir fahren weiter bis Italien, dort finden wir am Montag bestimmt eine Werkstatt“, waren wir uns schnell einig. Das bisschen Kühler würde uns doch nicht den Familienurlaub verderben. Zwei Kilometer später wanderte der Zeiger erneut in die gefährliche Zone, aus der Motorhaube dampfte es. Im Wohnmobil herrschte mittlerweile Bombenstimmung. Der Fahrer fluchte, das Eheweib kreischte, die Kinder plärrten und zu allem Überfluss hatte unser Kleiner, Matthias, das im Handschuhfach versteckte Packerl entdeckt – er feierte am nächsten Tag sechsten Geburtstag – und schrie in Endlosschleife in die allgemeine Verzweiflungskakophonie: „Ich will meine Geschenke haben, ich will meine Geschenke haben!“
Schließlich zeigte sich Christoph als Mann mit Nerven wie Drahtseile, er schnappte sich unseren gesamten Trinkwasservorrat, wir fuhren im Kriechtempo Richtung italienische Grenze und der Mann der Tat füllte alle zwei Kilometer Kühlwasser nach. „Vom Brenner weg geht’s bergab“, tröstete er uns – und vor allem sich selbst. Und so war’s.
Damals lebten wir noch in einer Zeit vor der Erfindung des Smartphones, noch gab es kein mobiles Internet für Kind und Kegel, aber ein guter Freund von uns machte für uns eine Citroen-Werkstatt am Gardasee aufindig. Jetzt wird alles gut, versichterten wir uns gegenseitig, als wir irgendwann um Mitterenacht in Riva ankamen.
Die Nervenprobe
Der Montag brachte neue technische Überraschungen – die perfekte Zutat für einen Traumurlaub: Der italienische Mechaniker stellte fest, dass der nette, winkende ÖAMTC-Techniker den Ventilator verkehrt herum angeschlossen hatte, er blies heiße Luft auf den Motor, außerdem wäre ein Kabel zu tauschen gewesen, das könne man aber erst am nächsten Tag einbauen, Christoph solle inzwischen eine Proberunde drehen, ob der Ventilator jetzt eh kühle. Wer das Westufer des Gardasees kennt, weiß, dass eine Proberunde mit Wohnmobil während der Urlaubs-Hochsaison keine Spazierfahrt ist.: kurvig, extrem viel Verkehr und viele enge Tunnel. Christoph setzte seine liebe Frau mit den liebe Kindern im Südwesten des Sees an einems Strand ab. Er wollte allein zurück zur Werkstatt sausen, das Kabel einbauen lassen und dann mit uns weiter Richtung Süden rauschen. Allein, als er ziemlich geschafft und verschwitzt – Klimaanlage gabs natürlich in dem Wohnmobil-Oldie nicht – in der Werkstatt ankam, stieg der Techniker gerade ins Auto. Er habe jetzt keine Zeit, Christoph möge doch morgen oder übermorgen wieder kommen.
Mein Mann, der Mann mit Nerven aus Stahl, war kurz vor einer Explosion. Setzte sich ans Steuer und fuhr wutentbrannt die gesamte Strecke Richtung Süden zurück, als er auf einmal im Tunnel ein furchtbares Geräusch hörte, ein Ruck ging durch das Fahrzeug, Christoph stoppte. Stieg aus. Das Dach war noch dran, keine Dellen oder Schrammen am Auto. Nur die Markise hatte die Einfahrt in den Tunnel verweigert und lag davor auf der Straße. Während Christoph im Alleingang die Markise über die Dachluke ins Innere des Wohnmobils fädelte, bildete sich ein ziemlich langer Stau vor dem Tunnelportal, auch die Carabinieri, die ihm mißbilligend bei seiner Tätigkeit zusahen, waren keine große Hilfe, als sie kopfschüttelnd feststellten, er möge endlich weiterfahren, denn er blockiere die Straße…
Ihr denkt wohl, damit war unser Urlaub gelaufen? Falsch gedacht. Wir fuhren weiter, ließen in einer Werkstatt bei Genua die Markise reparieren, besuchten Cinque Terre und viele andere wunderbare Plätze und fast wäre der Rest des Urlaubs reibunslos verlaufen, wenn nicht… Der Ort hieß Levanto, der Campingplatz war wirklich nett, der Platz, den wir auswählten, schien perfekt und als Christoph den Motor abstellte, zischte es kurz, dann plätschert etwas ziemlich laut und ziemlich anhaltend.
Urlaub in einer italienischen Autowerkstatt
Der Automechaniker kam mit eine alten Mofa zum Camingplatz. Sein Befund: der Turbolader war im Eimer. Aber kein Problem, er würde uns abschleppen und das Auto in die Werkstatt stellen. In drei Tagen sei alles wie neu. Christoph hatte schon Visionen vom Frühstück zwischen Hebebühne und Bremsprüfstand, in der Montagegrube würde er seine Morgentoilette erledigen und im Altöl würde ich die Frühstücksspiegleier braten. Er lehnte das Angebot mit Schaudern ab und sieh da, die Reparatur konnte schließlich an einem Tag durchgeführt werden. Allerdings sei da noch ein Schlauch dringend zu tauschen, gab man uns noch warnend auf die Reise mit.
Familie Potmesil schaffte es schließlich mit dem Wrack bis Pisa und auch wieder retour, und das alles mit defekter Turbolader-Leitung. Die ist vermutlich bis heute nicht getauscht, denn als wir den Vermieter darauf aufmerksam machten, dass er das Auto in diesem Zustand auf keinen Fall wie geplant an den nächsten ahnungslosen und vertrauensseligen Kunden weitervermieten könne, meinte der nur: „Das lassen Sie nur unsere Sorge sein.“
Drei Dinge hat uns dieser Urlaub gelehrt. Nie wieder Wohnmobil, Finger weg von dieser angeblich so seriösen Firma und: Ligurien ist so wunderschön, dass eine einzige Reise dorthin nicht genug ist. Wir waren im Sommer darauf wieder mit unseren Kids in der Gegend unterwegs. Diesmal mit zwei kleinen Iglu-Zelten und zwei am Ende des Urlaubs löchrigen und daher luftlosen Luftmatratzen als Schlafunterlage. Aber das ist eine andere Geschichte.