Menschen am Meer: Der Forscher, der aus der Kälte kam

Türkisblau und klar bis zum sandigen Grund, lange Wellen, die sanft gegen das weißsandige Ufer schlagen, eine scheinbar endlose, sich ineinander drehende, in alle Richtungen bewegende Fläche, in Blautönen, die am Horizonth in Himmelblau übergehen. Welch wunderbare Assoziationen bewirkt das Wort Meer. Welches Bild entsteht vor eurem geistigen Auge, wenn ihre dieses großartige Wort hört?

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Bruno Klausbruckner

Wer von euch denkt jetzt an die sternenklare Polarnacht, die während der Tage ohne den geringsten Schimmer Sonnenlicht und ohne dessen Wärme die Wellen zu bizarr geformten Eisklötzen erstarren lässt, an lebensfeindliche minus 50 Grad Celsius, an Gletscherspalten und… Pinguine?

Eine der schönsten Seiten – nein eigentlich DIE schönste Seite – des Lokaljournalismus ist, du lernst die verschiedensten Menschen kennen. Denn wir kopieren garantiert keine APA-Meldungen, die gibt’s für den Bezirk Gänserndorf nämlich selten bis nie, sondern wir recherchieren und: Wir dürfen über alle Themen schreiben, egal welches Ressort, vorausgesetzt wir haben den Lokalbezug.  Das bedeutet, ich rede mit vielen Menschen. Oft sind die Dialoge etwas eindimensional, denn nicht jeder, der „Der Zeitung“ ein Interview geben will, ist des Sprechens von vollständigen Sätzen mächtig (gelegentlich habe ich mit menschlichen Amöben zu tun, aber das ist eine andere Geschichte), aber manche Interviews werden zu langen, intensiven Gesprächen und einige Interviewpartner werden zu Freunden.

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Ich habe mit großen Künstlern gesprochen, mit toughen Unternehmerinnen, mit Extremsportlern und… mit dem Retter der Pinguine. Vergangene Woche haben wir Bruno Klausbruckner und seine Frau Lore zu Hause besucht. Ein Glücksfall, dass der Polarforscher und Extrembergsteiger in meinem Bezirk wohnt. Stundenlang könnten ich den beiden zuhören, wenn sie von ihren Reisen sprechen, das alte, liebevoll renovierte Bauernhaus, in dem sie leben, entpuppte sich als unerschöpflicher Quell des kulturanthropologischen Staunens, denn die Sammlung aus Brunos und Lores Reisen ist nicht nur eine Anhäufung von Kulturgütern aus allen Erdteilen. Jedes Sammlerstück birgt eine besondere Geschichte, die in Brunos unnachahmlich bescheidener und unterhaltsamer Art erzählt mein Ethnologenherz erfreut.

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Brunos Wappentier ist der Pinguin.  Ein Jahr lebte er in der Antarktis, ein Jahr, in dem er als Stationsleiter einer Expedition von Greenpeace arbeitete, davor hatte er sich als Extrembergsteiger, Expeditionsleiter und Bergretter einen Namen gemacht und wenige Jahre zuvor für die Österreichische Himalaya-Gesellschaft die Leitung einer Südpolexpedition übernommen – die frühzeitig und völlig überraschend mit dem Untergang des Expeditionsschiffes geendet hatte.

Pinguine wurden gesprengt

Die Erinnerung an die Ankunft in der Antarktis im Jahr 1990 verknüpft Bruno heute noch mit dramatischen Bildern: „Vor dem Bug des Schiffes sahen wir die Küste. Adelieland. Land der Pinguine. Inmitten des Paradieses waren die Franzosen dabei, zu sprengen, um eine Flugzeuglandebahn zu errichten. Brutplätze und Pinguine wurden gesprengt.“
Dann erzählt Bruno vom gewaltlosen Widerstand gegen die Bauarbeiten, davon, wie die Arbeiter die Aktivisten wegtrugen und festhielten, umgeben von Tausenden Pinguinen, auf der Suche nach ihren zerstörten Brutplätzen.
„Gewaltlosigkeit ist oberste Prämisse von Greenpeace“, entgegnet Bruno der öffentlichen Kritik zu den Methoden der NGO. Weder würden Menschen verletzt, noch zerstöre man absichtlich fremdes Eigentum. Man will mit außergewöhnlicher Performance Aufmerksamkeit erregen und Forderungen erreichen – eine Methodik, die im Fall der Ausbeutung der Antarktis funktioniert hat. Hier hat ein internationales Umdenken stattgefunden, statt die Rohstoffgewinnung zu forcieren, wurde der Kontinent für 50 Jahre zum Schutzgebiet erklärt.

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„Heute hat es Greenpeace schwerer, auf seine Forderungen aufmerksam zu machen.“ Warum? „Der Umgang der Konzerne und Regierungen mit NGOs hat sich verändert. Sie sind schlauer geworden, und bombardieren uns nicht mehr mit Wasserwerfen sondern öffnen ihre Türen und versuchen uns mit dem Mäntelchen der Forschung zu überlisten.“

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Zu heiß für Pinguine und Bruno. Beim Interview im Sommer 2018

Bruno überlistet wohl so schnell keiner. Er lernte die extremsten Orte der Welt kennen, lebte unter widrigsten Bedingungen. Wenige Jahre vor seinen Südpolexpeditionen reiste er auf einem ehemaligen Walfänger nach Heard Island, der entlegensten Insel der Welt, zwischen Tasmanien und der Antarktis. „Bei der Hinfahrt waren wir zwei Wochen unterwegs, zurück waren es fünf. Wir mussten segeln, weil uns der Sprit ausgegangen war.“

Habe ich schon erwähnt, dass Captain Christoph und ich bewusst die Barfußroute für unser Jahr auf See gewählt haben? Gegen Bruno sind wir Memmen, extrem kälteemfindlich – „dafroren“ heißt das auf gut weinviertlerisch.
Bewundernswert aber auch ein bissl unheimlich ist Brunos Liebe zu Kälte. „Bei minus 15 Grad blühe ich auf.“ Da fällt mir der 80er-Jahre-Song „Ich möchte ein Eisbär sein“ ein. Ach so, anderer Pol… naja, auch zu kalt für uns. Also doch ab in die Karibik!

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