Hilfe, Panik!!!!! Findet anderswo statt. In einem kleinen Bergland mitten in Europa zum Beispiel. In unserem Heimatland Österreich. Selten waren wir in den vergangenen zehn Monaten so froh, weit weg der Heimat zu sein, wie derzeit. Nur damit ihr mich nicht falsch versteht: Wir wollen keineswegs aus lauter Furcht der Heimat fernbleiben, denn wir fürchten uns kein bisschen… vor dem monströsen, tödlichen Coronavirus, der, wie wir heute in den Nachrichten gelesen haben, das gesellschaftliche Leben Mitteleuropas lahmzulegen beginnt.

Zu Tode g’fürcht is a g’storb’n, heißt es im österreichischen Volksmund oder, um mal meine humanistische Bildung unter die Leute zu bringen, frei nach Seneca: Es gibt mehr Ängste als Übel in dieser Welt. Soll heißen: Die Coronavirus-Hysterie hat uns nicht erfasst, das Leben auf Gran Canaria lebt sich frei und entspannt wie schon seit Wochen und unsere Pläne, demnächst nach Teneriffa zu segeln, haben wir trotz Warnungen aus der Heimat – „Was, ihr wollt in das Krisengebiet?“ „Ihr könnt doch nicht in die Seuchenzone fahren!“ „Bitte setzt euch nicht der Gefahr dieser Epidemie aus!“ – nicht aufgegeben. Das Teneriffa-Drama in Zahlen: Sechs Menschen waren an Covid-19 erkrankt, sind aber mittlerweile wieder genesen.

Während wir hier also in den Tag hineinleben, die Zeit an Bord genießen und tägliche neue spannende Reise-Geschichten mit unseren Stegnachbarn austauschen, versuche ich mir hin und wieder vorzustellen, wie mein Alltag in ein paar Wochen aussehen wird. Wenn wir nicht mehr weit nach Sonnenaufgang aufstehen, im Cockpit unter strahlend blauem Himmel frühstücken (was sich durchaus über eine Stunde hinziehen kann) und dann unser Tagwerk beginnen. Zum Beispiel die Fock reinigen und dann wieder anschlagen. Oder auf den Mast klettern und Bolzen fixieren. Oder Wäsche waschen.. Oder zwei Holzteile neu lackieren. Oder eine kleine Wanderung machen. Oder an den Strand gehen. Oder mit dem Bus nach Puerto Rico fahren.

Kurz gesagt, ich versuche mir vorzustellen, wie es sich anfühlen wird, in der Früh aufzustehen und mehr als eine Tätigkeit am Programm zu haben. Unvorstellbar, nein. Sofort blende ich diese höchst unerfreulichen Zukunftsgedanken aus und konzentriere mich auf das Leben im hier und jetzt, auf unser Leben an Bord. Heute steht der Besuch des Segelmachers am Programm, er soll die alten „Fetzen“ begutachten, wir wollen uns über ihren Zustand aus Sicht des Profis informieren. Das reicht dann schon wieder als Tagesprogramm, man muss es ja mit den Terminen nicht übertreiben 😉 Ich geh‘ dann mal ein paar Fotos von unserem Steg machen… und komme zwei Stunden später wieder zurück. Hab mich ein bisschen verplaudert, bei dem britischen Ehepaar neben uns, beim schwedischen Eigner daneben und bei der norwegischen Skipperin im dritten Boot…


Obwohl…. Wir sind nicht jeden Tag so faul. Manches Mal geht das Temperament mit uns durch und wir bewegen uns stundenlang! Seit zehn Monaten sind wir unterwegs und haben – seit 30 Jahren begeisterte Tänzer – in vielen, vielen Städten, die wir auf unserer Reise besucht hatten, nach Tanzlokalen gesucht. Standard, Boogie, Salsa… egal. Hauptsache tanzen. Leider, leider… wir wurden nie fündig, was wir ziemlich schade fanden, denn so lange Zeit ohne Tanzmusik sorgte schön langsam für Entzugserscheinungen. Der rhythmischte aller Captains ist wohl weltweit der einzige, der zu den Songs von Chuck Berry im Achter-Boogie-Schritt Segel setzt. Bei Chuck Berry die Füße stillhalten? No way.


Um zur Tanzlokalsuche zurückzukehren: Yes! Wir wurden fündig. Puerto Rico, eine halbe Stunde Busfahrt von Puerto de Mogan aus, ist fest in skandinavischer Hand und die Besucher aus Norwegen, Schweden & Co. sind offensichtlich tanzfreudiger als deutsche, holländische oder britische Touristen. Wir entdeckten gleich drei Lokale mit Live-Musik und verbrachten mehrere Abende in Gesellschaft nordeuropäischer Tänzer. Vergangenen Sonntag tanzten wir uns einen ganzen Nachmittag bis spätabends von einem Lokal zum anderen – und waren die absoluten Exoten unter den Männern und Frauen des Nordens. Liebe Grüße an Christian von CJ Boogie, unserem Tanzclub in Wien! Für unsere Boogie-Moves, die du uns eingetrichtert hast, gab’s von den skandinavischen Lokalgästen Szenenapplaus und etlichen fragten uns, wo wir tanzen gelernt hätten. Falls also in nächster Zeit deine Kurse boomen und norwegische Schüler in Scharen dem Club beitreten wollen, bist du jetzt dem Ansturm gewappnet 🙂

Mit unseren oben beschriebenen ausufernden Sporteinlagen sind wir ohnehin die aktivsten Hafenbewohner in Puerto de Mogan. Mittlerweile kennen wir die Lebensgewohnheiten der Bootseigner auf unserem Steg ganz gut, immerhin spielt sich ja der Großteil des Lebens in den Cockpits ab und ist damit ziemlich öffentlich. Du weißt, wann die Nachbarn aufstehen, was sie essen, wie ihre Unterwäsche aussieht und wie oft sie auf der Leine hängt. Wie beim Dauercampen.

Ähnlich dem Campen gibt es auch beim Segeln die unterschiedlichsten Lebensmodelle. Gegenüber von uns liegt eine Bavaria unter deutscher Flagge, das Ehepaar lebt seit drei Jahren an Bord, hat sich allerdings noch nie von Gran Canaria wegbewegt. Im Herbst planen die beiden, mit Freunden nach Teneriffa und Lanzarote zu segeln. Zum ersten Mal. Man wird sehen….

Das norwegische Ehepaar neben uns ist nicht ganz so lange hier. Im August erreichten die beiden Puerto de Mogan – und beschlossen hier zu bleiben. Die beiden hatten erst mal genug vom Segeln. Ohne Segelkenntnisse waren sie von Norwegen gestartet, waren in kürzester Zeit bis zu den Kanaren gesegelt und hatten am Weg hierher – nicht zuletzt aufgrund mangelnder Erfahrung – mit etlichen Problemen zu kämpfen. Die Lust am Segeln war ihnen damit vergangen, nun wollen sie ihr Boot verkaufen.
Ebenfalls in unserer Nähe liegt die Mayflower II, die Hallberg-Rassy des schwedischen Langfahrtsegler-Ehepaars, über das ich im vergangenen Blogbeitrag berichtet habe, neben ihnen eine Beneteau, die einer deutschen Charterfirma gehört. Die Profi-Skipperin, die wir in den vergangenen Wochen mit wechselnden, zahlenden Gästen an beobachtet haben, hat auch einige spannende Geschichten zu erzählen, segelte sie doch unter anderem im Ärmelkanal, an der Ostsee und an der australischen Küste.

Dann gibt es hier eine norwegische Seglerin, die seit 35 Jahren – großteils single handed – unterwegs ist sowie einen italienischen Berufstaucher, der sein Boot als festen Wohnsitz nutzt. Die Beneteau neben uns wird über Airbnb als Wohnquartier vermietet und am Anfang des Stegs liegt eine verwaiste Bavaria mit tragischer Geschichte. Ihr Besitzer, ortsbekannter Alkoholiker, war zu Silvester über Bord gegangen und ertrunken.

Gestern haben wir Jens kennengelernt, besser bekannt als Elektro Jens. Der Deutsche betreibt in der Werft eine Firma und ist in Sachen Bootsreparatur der Mann für alle Fälle. Er hat unser Sorgenkind, den Windgenerator, unter die Lupe genommen und zum Leben erweckt. Ich sag mal vorsichtig: vorübergehend. Denn ich glaube an keine Windgeneratorwunder mehr. Außerdem kennt Jens Gott und die Welt, er und unser schwedischer Stegnachbar Owe haben uns etliche Kontakte zu hier ansässigen Experten vermittelt. Falls wir unsere Maha Nanda in den nächsten Monaten hier allein zurücklassen werden – will gar nicht daran denken – wäre sie hier in guten Händen.

Hallo,
vielen Lieben Dank für euere tollen, sehr unterhaltsamen und informativen Berichte.
Weiter so!
LG
Bernhard + Marion
SY-Maui
LikeLike
Danke für das Feedback, liebe Grüße aus Teneriffa (eben angekommen)
LikeLike
Thema Corona: „ich hatte heute eine wunderschöne Tänzerin zum Fotografieren hier. Sie hat vor zwei Wochen Trainerstunden in der Lombardei genommen“. Nenne mich jetzt mutig, verwegen oder unverantwortlich – die Fotos sind traumhaft geworden.
Langsam wird das Wetter hier schön und sonnig. Ich genieße meine Ausflüge ins Weinviertel immer mehr!
Liebe Grüße!
LikeGefällt 1 Person
Du bist mutig verwegen und Hysterie-frei. Wunderbar! 😘
LikeLike
„Welchen nemma denn?“ – Bei uns wuerde die Antwort lauten, „All of the above!“ 😉 Und ich frage mich, wie das Bild aussehen wuerde, wenn der Captain vier Haende haette. 😀
LikeGefällt 1 Person