Die Mañana-Taktik und unser persönliches Hassobjekt

„Dieselpumpe“ ist mein persönliches Unwort des Monats und hat somit offiziell „Windgenerator“ abgelöst. Wenn ich „Dieselpumpe“ höre, bekomme ich Stresspusteln, bodenlose Melancholie befällt mich und lässt mich in ein kilometertiefes-Frustrations-Loch fallen. Noch Fragen?

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Der Patient… Dieselpumpe!!!!

Ich fasse die letzten Katzenjammer-Wochen in einem (langen) Satz zusammen: Es dauerte Tage und erforderte Hartnäckigkeit in Sachen Telefonterror, bis ein Techniker Zeit fand, unsere defekte Diesel-Einspritzpumpe auszubauen, um dann zu erkennen, dass er mit deren Reparatur überfordert war, woraufhin er sie zu Bosch Lissabon schickte, wo sie wochenlang lag und immer noch liegt, während man sich bei Bosch Lissabon auf der Suche nach Ersatzteilen begab.

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Vier Wochen in Portimao. Die Arbeit geht uns nie aus.

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Lasst uns feiern!

Hurra! Heute Abend feiern wir einen Teilerfolg und den haben wir dem Team unserer Werft in Lemmer, Friese Hoek zu verdanken! Während das Arbeitsmotto auf der Iberischen Halbinsel „mañana, mañana“ lautet, was leider nicht wirklich „morgen“ sondern in Wahrheit „irgendwann oder vielleicht nie“ bedeutet, sind die Friese Hoeker aus anderem Holz geschnitzt und zu meiner lange Liste, die ich einst schrieb „Warum wir die Werft Friese Hoek lieben“ kommen weitere Pluspunkte dazu. Am Abend wandte ich mich an Houwina, Front Desk Managerin und Dreh- und Angelpunkt der Marina, und fragte händeringend nach einer gebrauchten Dieselpumpe. „Ich werde Martin (den Werft-Chef) gleich morgen fragen“, schrieb sie zurück. Um neun Uhr vormittags rief Martin an und sagte in seinem vertraut-fröhlichen Ton, der mir immer, wirklich immer das „No-problem-anywhere-Gefühl“ gibt: „Ich habe eine gebrauchte Pumpe gefunden, wir können sie heute bestellen, direkt zu euch schicken und ihr müsst nur ein Deposit für die alte zahlen, das ihr zurückbekommt, wenn ihr sie nach Holland geschickt habt.“

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Endlich hat Christoph den optimalen Platz für die Passerella gefunden.

Ich bin jetzt mal vorsichtig optimistisch, mein ehemals grenzenloser Optimismus hat in den vergangenen Monaten mit jedem neuen kleineren und größeren technischen Problem – derer gab es unzählige – einen kleinen Dämpfer erlitten. Aber wenn die Pumpe nächste Woche ankommt und wenn sie rasch eingebaut wird… also wenn… alles so klappt, können wir unsere Reise fortsetzen.

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Ein U-Boot vor Ferragudo. Im Hafen gibt’s immer etwas zu sehen.

Eine Frage, die mich seit Wochen beschäftigt, konnte ich jedoch ebensowenig wie Christoph und unsere Freunde bis heute nicht beantworten. Im Zuge meines Dieselpumpen-Telefonterrors, der jeden Stalker blass aussehen lässt, hörte ich täglich mehrmals den gleichen Satz: „We are still searching for spare parts, we will call you tomorrow if we have found them.“ Frage: Wie kann man sich diese wochenlange Suche nach Ersatzteilen vorstellen? Sind die wie Sherlock Holmes mit einer Lupe in einem riesigen Ersatzteillager unterwegs oder müssen archäologische Grabungen vorgenommen werden (immerhin ist unser Bukh 39 Jahre alt, das fällt dann vielleicht schon unter Altertum)? Möglicherweise haben die Techniker in Lissabon auch gar nichts gemacht? Aber nein, wer wird denn sowas Böses denken….

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Waschtag an Bord von Maha Nanda.

Gemäß dem Wissen, dass jeder echte Langfahrtsegler irgendwann auf seiner Reise seine großen Pläne ändert, akzeptieren wir jetzt unsere unfreiwillige Routenänderung, blicken nach vorn und – ja, feiern einfach die guten Momente. Gestern lautete das Motto des Abends: „Auf die Dieselpumpe!“ Unsere Freunde haben uns mit dem gleichen Enthusiasmus, den wir in diesen für euch möglicherweise banal klingenden Trinkspruch legen, zugeprostet, denn in Sachen Krisenbewältigung sitzen wir alle im gleichen Boot.

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Die Entrerprise B von Anke und Horst wird gerade Pazifik-tauglich gemacht.

Horst und Anke aus Deutschland sind heuer mit ihrer Enterprise B, einer 40 Jahre alten Alu-Yacht, einer Nordsee 46, gestartet. Ziel: Irgendwo im Pazifik, Reiseende: unbekannt. Als ich gestern bei ihnen vorbeischaute, bastelte Horst gerade an einer Radio-Antenne. „Drei Stunden schon, obwohl er gemeint hat, das ist in zehn Minuten erledigt“, bestätigt Anke die alte Segler-Weisheit: Die Dimension der Zeit verschiebt sich an Bord. Arbeiten, die zu Hause wenige Minuten dauern würden, beschäftigen dich am Boot stunden- manches Mal tagelang. Aber Horst ist zuversichtlich, dass sich die Reparaturen in nächster Zeit in Grenzen halten werden, denn die Enterprise B ist bestens auf die lange Reise vorbereitet. Mein Gefühl sagt mir, Horst hat die Technik voll im Griff. „Ich will doch hoffen, dass da nix Gröberes kommt, die Sache mit dem neuen Motor hat mir gereicht“, brummt er.

Ja stimmt, die Sache mit dem neuen Motor. Wenn man schon eine ordentliche Stange Geld für einen neuen Motor ausgibt und diesen vom Fachmann einbauen lässt, sollte man davon ausgehen können, dass der weiß, wie bei einem Alu-Boot Elektrolyse zu verhindern ist. Warum dem Fachmann erst hinterher einfiel, dass der Motor nicht massefrei war, wird Horst wohl nie erfahren. Die Rechnung für die folgenden umfangreichen und teuren Arbeiten sowie die damit verbundene Verzögerung ihres Reisestarts kostete Horst wohl seine letzten grauen Haare. Das Haareraufen sollte aber jetzt ein Ende haben, sind die beiden zuversichtlich. Wann es Richtung Marokko weitergeht? „Mal sehen, wir haben gar keine Pläne, wir haben ja Zeit.“ Ja, so muss Langzeitsegeln.

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Entspannt und unkompliziert: Marieke und Björn mit ihrer Salty.

Marieke und Björn aus Norwegen haben nicht ganz so lange Zeit, sind aber ähnlich entspannt. Sie wollen als Nächstes zu den Kanaren. Wenn das Wetter passt und alles repariert ist. Besser gesagt, wenn das Wichtigste repariert ist. Denn ihre „Salty“ ist im Alter unserer „Maha Nanda“ und diese alten Ladys wollen rund um die Uhr verhätschelt und gepflegt werden. Ausgiebig und liebevoll. Derzeit schraubt Björn am Außenborder herum und betätigt sich in kreativer Bastelarbeit, weil er das Ersatzteil in ganz Portimao und Umgebung nicht auftreiben konnte. Davor waren die beiden tagelang mit ihren Solarpaneelen beschäftigt, davor mit dem Windgenerator, davor… Von Björn und Marieke erfahre ich, was so alles an Bord kaputtgehen kann. Einerseits beruhigend, dass alle Langfahrtsegler mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben, andererseits sehr beängstigend, von Schäden zu hören, deren Existenz ich bislang erfolgreich geistig verdrängt habe. Wassereinbruch über den Ruderschaft, Ausfall sämtlicher Pumpen, Plotter-Absturz…

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Selbst ist der Mann: Björn bei kreativer Außenborder-Problemlösung

Aber Marieke und Björn haben sowieso eine super-entspannte Einstellung zum Leben an Bord, denn wer in Norwegen ganzjährig eine 36-Fuß-Yacht bewohnt – zwar mit High-Tech-Material isoliert, aber trotzdem! – hat eine andere Vorstellung von Wohnkomfort als die Mehrheit der europäischen Bevölkerung. Und bezüglich der kleineren und größeren technischen Katastrophen sei gesagt: Björn ist gelernter Bootsbauer, also machen uns keine Sorgen um die beiden. Die kriegen das sicher hin. „Ja, wir mussten viel reparieren, aber die To-Do-Liste wird kürzer und Salty immer besser“, grinst Björn.

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Der Blick von Maha Nandas Cockpit aus bei Sonnenuntergang.

Übrigens: Auch Rita und Frank, die Schweizer Abenteurer, über die ich im letzten Beitrag geschrieben habe, sind, obwohl ihr Kat nagelneue zwei Monate alt ist, auch nicht vor Reparaturen gefeit. Ist ja auch unfair, wenn Einheimische behaupten, unter dem Stromkabel kommst du locker durch, dein Mast dazu aber eine andere Meinung hat. Die letzten zwei Zentimeter von Gin-Gins Antenne verhinderten die Durchfahrt unter dem Kabel und der Windmesser verweigerte von diesem Moment der Strom-Durchfuhr an seine Arbeit. Aber hätte die oben erwähnte „Mañana-mañana-Mentalität“ nicht zu tagelangen Verzögerungen der Reparaturarbeiten von Gin-Gins Windmesser geführt, hätten wir Rita und Frank nie kennengelernt. Nicht böse sein, ihr beiden, aber insgeheim freuen wir uns, dass ihr hier in Portimao ein Weilchen hängengeblieben seid 😉

3 Kommentare

  1. O.k., nachdem alle reparieren und warten, bin ich beruhigt. Nur dass die Todo-List von Björn kürzer wird, kann ich fast nicht glauben! Aber es hört sich enorm „postitiv“ an!
    Auf geht’s, ich brauche Südeseeeindrücke!

    Gefällt 1 Person

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