Wein: Gesamtkunstwerk in der Lava-Wüste

Liebe Weinviertler, ihr müsst jetzt ganz tapfer sein! Das Museum of Modern Art in New York hat ein Weinanbaugebiet zum Gesamtkunstwerk ernannt  – und es ist nicht eures. La Geria auf Lanzarote beherbergt die mit Abstand ungewöhnlichsten Weingärten, die wir jemals gesehen haben.

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Der Vulkan hat vor 300 Jahren diese Lavabrocken ausgespuckt.

Nichtsahnend fahren wir mit unserem Leihauto durch schwarze Geröllhalden, sehen rotbraune Vulkankegel und darunter über etliche Quadratkilometer verstreutes Vulkangestein in allen Größen und Formen. Die Lava, die es hier auf Lanzarote vor nicht allzu langer Zeit (aus Sicht der Erdgeschichte) aus Vulkanen geregnet war, zerstörte riesige Flächen fruchtbares Ackerland. Allein bei den schweren Vulkanausbrüchen von 1730 bis 1735 entstanden 32 neue Vulkane und ein Viertel (!) der Insel wurde mit Lavagestein vollständig bedeckt. Am Satellitenbild Lanzarotes sieht man die alles überdeckende Schwärze besonders gut, von der Straße aus betrachtet fühlt man sich eher,  als wäre man am Mond statt auf einer irdischen Insel.

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Weinanbau in seiner aufwändigsten Form.
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Jede einzelne Pflanze bewohnt einen Trichter und wird von einer Mauer geschützt.

Irgendwann tauchen dann in der schwarzen, offensichtlich kultivierten, vulkanischen Steinchenlandschaft Hunderte niedrige, halbkreisförmige Mauern auf, sie schützen kleine Krater in denen jeweils eine ziemlich mickrige, teilweise blattlose (es ist ja Winter) Pflanze dahinvegetiert. „Was wird denn hier angebaut?“, rätseln wir, bis der adleräugigste aller Ehemänner plötzlich die Erkenntnis hat: Wein! Das sind tatsächlich Weinreben.

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Der Profi kontrolliert die Reben

In der Region La Geria wird Wein auf einzigartige Weise angebaut. In das metertiefe Lapilli-Gestein (kleine Lava-Körnchen beziehungsweise Asche) werden Trichter gegraben, wodurch die Rebstöcke genügend von der geringen Feuchtigkeit des extrem trockenen Bodens Lanzarotes aufnehmen können, um zu gedeihen. Durch die Mauern werden sie außerdem vor den starken Passatwinden, die Seglerherzen deutlich mehr erfreuen als Winzer, geschützt. Das Ergebnis dieser aufwändigen Methode ist ein sehr süßer Likörwein, was wenig verwundert. Sonne gibt’s hier auf Lanzarote, wo es nur im Winter – und da nur einen Tag pro Jahr – regnet, mehr als genug, die Trauben haben daher extrem hohen Zuckeranteil. Fünf Millionen Liter Wein werden auf der Insel pro Jahr hergestellt, die häufigste Sorte ist der Malvasier.

Kleine Randnotiz; der Name der Sorte leitet sich von der griechischen Stadt Monemvasia ab, einer Stadt am Peloponnes, die wir auch schon mit dem Segelboot besucht haben.

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La Graciosa
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Der Atlantik an Lanzarotes Westküste.

 

Einen Tag lang haben wir mit dem Auto Lanzarote von Nord nach Süd durchquert, was keine Kunst ist, denn die Insel ist nur 56 Kilometer lang und 34 Kilometer breit. An ihrer Nordseite genossen wir den fantastischen Blick auf La Graciosa, der kleinsten bewohnten Insel der Kanaren. Die einzige ganzjährig bewohnte Ortschaft der Insel liegt direkt vor unseren Augen – 600 Menschen leben hier…

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On the road… zu den Feuerbergen

Seltsame Inseln sind sie, die Kanaren. Europas nächste Anlaufstelle für jene, die den ewigen Sommer suchen, wurde ab den 60er-Jahren für den Tourismus entdeckt und entlang Lanzarotes Küste scheint sich das gesamte Leben nur um diesen Wirtschaftszweig zu drehen. Alle Häuser, alle Geschäfte, die gesamte Infrastruktur dienen nur einem Zwecke: dem Vergnügen. „Gibt es überhaupt so etwa wie normales Leben auf dieser Insel?“, fragen wir uns. Dabei ist ja Lanzarote noch die am meisten vor Bettenburgen und Hotelmonstern verschonte Insel der Kanaren, wofür ein Künstler verantwortlich ist; César Manrique beschwor in den 60er-Jahren die Regierung , Bausünden zu vermeiden. Der Maler war eigentlich Visionär, erkannte er doch die drohende Zerstörung des Landschaftsbildes durch riesige Betonklötze. Und er hatte Erfolg! Lange Zeit durfte kein Gebäude auf Lanzarote mehr als drei Stockwerke aufweisen eine Vorgabe, die zwar Jahre später später aufgeweicht wurde, die aber immerhin das Schlimmste – man blicke im Vergleich nach Teneriffa und Gran Canaria – verhindert hat.

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Playa Quemada, Lanzarote
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bin hier ganz alleine
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Schwarzer, menschenleerer Strand
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Wild, wild West. Stillleben mit Booten

Hotels und Ressorts findet man in sämtlichen Orten der Insel, wenn auch die Dörfer im Landesinneren zum Teil ihre Ursprünglichkeit bewahrt haben. Und beim genaueren Erkunden entdecke ich sogar an der Küste ganz besondere Plätze; stundenlang wandere ich über die Insel, rechter Hand Mondlandschaft, linker Hand der Antlantikschwell, der sich an schwarzen Klippen bricht. Wenige Menschen und noch weniger Ziegen begegnen mir auf meinem Weg nach Playa Quemada, dann tauchen die weißen Häuser des Fischerdorfes auf, im Hintergrund erhebt sich der Gebirgszug Los Ajaches mit 600 Meter hohen Gipfeln. „Könnte auch mitten im Wilden Westen sein“, denke ich…. Nur das Fischerboot am Parkplatz stört die Prärie-Optik. Touristen verirren sich nicht allzu viele an diesen schwarzen Strand. 6. Jänner, 16 Uhr: das Stückchen Erde hab ich für mich alleine.

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