Jenseits jeglicher Vorstellungskraft: ein ganzes Jahr ohne Termine

Wie viel passt in eine Woche hinein? Mal überlegen: Da wären mal unsere Jobs, 40 Stunden bei Tag plus Abendtermine (weil du als Journalist ja eh nie frei hast) und in Christophs Fall Abend- und Nachteinsätze, weil er vergangen Woche in zwei Spitälern Bereitschaftsdienst hatte. Dann hab ich noch den Haushalt zu erledigen, ein bissl Bloggen muss auch sein und dann, ach ja, die Vernissage.

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Christoph hatte am Donnerstag wieder eine Ausstellung, was bedeutete, dass er abends nach der Arbeit von Wien eineinhalb Stunden nach Rabensburg fuhr – immer hoffend, dass er gerade jetzt keinen Einsatz habe und auf der Stelle umdrehen und retour fahren müsste – seine Bilder, Staffeleien, Werkzeug, Beleuchtung… in den Anhänger lud und wieder zurück nach Wien leierte. Am nächsten Abend raste ich von der Redaktion nach Wien und wir schleppten gemeinsam 40 Bilder in den dritten Stock, hängten sie auf und checkten die Details für die Vernissage am Donnerstag. Jener Wochentag, an dem ich einen Teil der Produktion abwickeln muss, Termine absolviere, Storys recherchiere und schreibe, der ganz normale Redaktionswahnsinn. Am Abend raste ich dann erneut nach Wien – und sonnte mich ein bisschen im Glanz des gefeierten Künstlers.

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Unter uns: Ich liebe es, mich als „Künstlergattin“ vorzustellen, hat doch einen guten Klang, oder?  Gattin und Muse. Obwohl es angesichts der Werke, die mein Künstler derzeit ausstellt, nicht ganz so schmeichelhaft ist, Muse zu sein. So ganz habe ich noch nicht herausgefunden, wie die Werke des Meisters entstehen. Also, was da in seinem Kopf herumspukt, das dann solche Porträts entstehen lässt. Bilder, die Menschen in ihren Bann ziehen und Emotionen hervorrufen. Ich weiß nur, dass der Entstehungsprozess etwas sehr Intensives ist, denn – so erklärte mir der Meister persönlich – während des Schaffens könne er sich auf nichts Anderes konzentrieren, weder schweifen seine Gedanken ab, noch lässt er sich durch Nebengeräusche oder Musik ablenken. Und er vergisst Zeit und Raum. „Bin nur kurz im Atelier“, heißt im Normalfall: Wir sehen uns in vier Stunden wieder. Wenn der Künstler Hunger hat oder einen Kaffee braucht. Ich kenne wenige Menschen, die sich so lange Zeit in ihrer Arbeit verlieren können. In einer Arbeit, die aus ihrem Inneren heraus entsteht, geschaffen aus der perfekten Kombination aus Kreativität, Talent und Können.

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Triptychon „Menschenbrücke“, 3m x 1,2m

Zurück zu unserer Woche. Gegen Mitternacht verließen wir den Ort der Ausstellung, ich brachte den Künstler in die Wiener Wohnung, leierte quer durch Wien, holte Sohn Nummer 1 von der Wohnung des Sohns Nummer 2 ab, leierte im dichten Nebel über die A 5 eine Stunde bis Rabensburg, fiel gegen 2 Uhr ins Bett, um gegen 6 vom grausamen Piepsen des Weckers in meinem Schönheitsschlaf gestört zu werden, fluchend aufzustehen und in die Redaktion zu fahren, wo mich der härteste Tag der Woche, Freitag, der Hauptproduktionstag, erwartete.

Wenn wir 2019 mit unserer Maha Nanda starten, werden wir ein Jahr vor uns haben, in dem es keine Termine gibt. Es gibt keine täglich um 7 Uhr beginnenden Dienstzeiten im Spital, es gibt keine Bereitschaftsdienste, die man – das Handy im Blick – in Spitalsnähe verbringen muss, immer am Sprung und rund um die Uhr einsatzbereit. Es gibt keine täglichen Terminlisten, keine Produktionszeiten, Drucktermine, Deadlines und Meetings. Ich frage mich, wie lange es dauern wird, bis uns diese Freiheit bewusst sein wird. Bis wir nicht mehr gewohnheitsmäßig abends den Wecker stellen, regelmäßig auf die Uhr schauen und uns Termine setzen wollen. Denn es wird egal sein, ob wir heute oder morgen in Ramsgate oder La Coruña sind. Wann wir losseglen und wohin, wird nur vom Wetter und der Tide abhängen, und von unserer Laune. Wo es uns gefällt, bleiben wir länger, wenn wir Lust haben, segeln wir einen kurzen Schlag, oder einen längeren. Wir werden auf Maha Nanda alle Hände voll zu tun haben, manchmal mehr, manchmal weniger, aber wir werden für diese Arbeiten keinen Terminkalender brauchen. Das erste Mal seit… seit unserer Schulzeit. Werden wir das können?

 

 

1 Kommentar

  1. Ich liebe diesen Blog! Da machen sich zwei Menschen auf den Weg in ein Abenteuer, von dem sie noch nicht wissen, wie’s raus kommt, ausser dass es gut sein wird. Hut ab! Die Gedanken, die Ihr zwei habt, kenne ich nur zu gut. Bei mir Einhandsegler ist’s halt nicht die Partnerin, sondern der Hund, der nächstes Jahr die wenigen Quadratmeter auf See mit mir teilen wird oder muss. Spannend bleibt es bis zum Schluss; ahoi!

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