Es soll ja Menschen geben, die es gern kalt haben. Versteh‘ ich nicht. Jetzt gerade trage ich drei Schichten übereinander – inklusive Rollkragenpulli und dicke Socken und hab mich in meine Kuscheldecke eingehüllt. Die Heizung läuft und wenn ich beim Fenster rausschaue und das Schneetreiben im Sturm beobachte, friere ich.
Nein, ich mag den Winter nicht. Ich habe nichts gegen im Sonnenlicht glitzernden Schnee, aber bitte nur eine Woche, sagen wir vom 24. Dezember bis 1. Jänner. Dann ist’s genug. Ein ganzer kalter Winter lang? Kälte von November bis April? Das muss echt nicht sein. Also stell ich mir vor, ich liege am Strand, an einem Ort, wo man nicht mehr als T-Shirt, Shorts und Flip-Flops braucht. Oder wir liegen in der Karibik mit unserer Maha Nanda vor Anker, wo man nicht einmal T-Shirt und Shorts braucht. Am besten, ich beginne gleich zu packen. Ölzeug und Gummistiefel für den äußersten Wetter-Notfall und ansonsten: T-Shirts, Shorts, Flip-Flops und ein paar Bikinis. 2019 wird wettertechnisch ein perfektes Jahr.
Im Sari am Beach
Dieses Jahr waren wir im Februar für einen Monat in Indien, in Tamil Nadu (wettertechnisch ebenfalls perfekt) und haben mit unserer Freundin Helan und ihrem Sohn Jevin einen Ausflug nach Pondicherry gemacht. Pondicherry-Pflichtprogramm für Jevin ist der Strand. Paradise Beach. Schwimmen kann er zwar nicht, das können die wenigsten Menschen in Indien, aber das Wasser zieht wohl alle Kinder der Welt in seinen Bann. In Indien ist übrigens nix mit Bikini am Strand. Zumindest außerhalb der Touristenzonen. Denn hier trägt frau Sari oder Churidar – am Strand genauso wie im Wasser. Strandurlaub ist hier einfach nicht üblich und an der Ostküste, die immerhin 3000 Kilometer lang ist, sind die Badestrände rar gesät. Welch ein Kontrast zu den überlaufenen Adria-Stränden, die uns Österreichern nur zu vertraut sind. Diese schmalen Sandstreifen, begrenzt durch eine unendlich lange Reihe an Hotelburgen, so nah wie möglich am Strand gebaut, jeden freien Quadratmeter nutzend, die akkurat in Reih und Glied aufgestellten Liegen und Sonnenschirme, die für erzwungene aber unerfreuliche menschliche Nähe sorgen – oder mag jemand Fremde aus nächster Nähe beim Eincremen, Umkleiden und Abfrottieren beobachten? Und dann die unüberschaubare Menge an fast nackten Körpern! Ehrlich! Am Strand siehst du alles, was im normalen Leben gnädig verhüllt wird und vieles, das du nie sehen wolltest.
So gesehen ist mir die indische Ostküste lieber. Es macht Spaß, den kichernden, kreischenden Frauen in ihren Saris zuzusehen, wie sie vor den Wellen flüchten. Die Männer kreischen natürlich nicht, sie sind wie auf allen Stränden der Welt – cool.
An der Westküste Indiens sieht die Situation ein bisschen anders aus, hier gibt es einige Touristen-Hotspots, wo sich Europäer in Bikini und Badehose tummeln. Das war schon vor 25 Jahren, als Christoph und ich zum ersten Mal in Indien waren, so. Wir wohnten einen Monat lang in Goa und wenn ich nicht gerade für meine wissenschaftliche Arbeit Material sammelte und Interviews machte, gingen wir auch an den Strand. In Badehose beziehungsweise Bikini. In Calangute spielten sich täglich die gleichen Szenen ab. Zumindest einmal am Tag kippte ein Reisebus eine Gruppe junger Männer aus, die unternehmungslustig und zielstrebig Calangute Beach ansteuerten. Bekleidet mit langen Hosen und den obligaten weißen Hemden, ausgerüstet mit Fotoapparaten, nutzten sie die wenigen Minuten des Bus-Stopps für Sightseeing. Objekt der Begierde waren europäische Touristen in Badekleidung, egal ob männlich oder weiblich. Die halfen nur zwei Dinge: bedecken oder im Meer untertauchen, denn von den Fotoapparaten war keiner sicher.
Unser Plan für nächstes Jahr. Möglichst viele geheime, menschenleere Plätze an möglichst schönen Schönwetter-Orten finden. Dort wo wir keine Badekleidung, keine T-Shirts und kein Saris oder Pyjamas brauchen.