Das Wetter im ionischen Meer vor zehn Monaten

Wenn wir in einem Jahr unsere Langfahrt starten, ist unser erklärtes Ziel die Barfußroute. Wir freuen uns aufs Segeln in jenen Regionen, wo du Shorts und T-Shirt trägst, oder gar nichts. Aber ein bissl fürchte ich mich schon vor dem Wetter. Ihr denkt jetzt sicher an Stürme und riesige Wellen, aber nein, ich fürchte mich wegen meines Captain. Denn ich kenne keinen wettergesteuerteren Menschen auf Erden als ihn. Jeder Tag mit schlechtem Wetter ist für ihn ein frustrierender, ja ein verlorener Tag und leider muss ich dazusagen, fast jeder Tag ist Schlechtwettertag. Gestern, Sonntag zum Beispiel. Es hatte 30 Grad und die Sonne schien. Aber leider, zwischendurch sichtete mein Extrem-Wetter-Hysteriker zwei Wolken am Himmel und der Wind, nein der Wind war einfach unerträglich. Mein Mann braucht keinen Wind, außer er segelt. Und da muss der Wind konstant in der richtigen Stärke aus der richtigen Richtung wehen. Alles andere ist für ihn unzumutbar und wird als persönliche Beleidigung eingestuft. Zuhause, also wenn wir nicht segeln, gibt es nur eine erträgliche Situation: wolkenlos, windstill, 30 Grad aufwärts.

Zwei unterschiedliche Wetter-Wahrnehmungsebenen

Vor zehn Monaten waren wir im September im ionischen Meer. Traumhafte Tage und die perfekte Verlängerung des Sommers, denn tatsächlich hatten wir in Österreich zu diesem Zeitpunkt den ersten Herbsteinbruch. Mein Captain hat dazu allerdings eine andere Wahrnehmung: Das Wetter war schlecht. Objektiv betrachtet, damit meine ich, aus meiner Warte, hatten wir die perfekte Überfahrt von Korfu Stadt nach Mourtos. Wegen Starkwindwarnung verbrachten wir dort zwei Nächte, was ideal war, denn erstens ist der kleine Ort wunderschön und perfekt zum Relaxen und zweitens war’s gar nicht so schlecht, den Törn langsam zu starten. Freitags bis spätabends noch in der Arbeit, samstags um fünf Uhr früh Richtung Flughafen, Schiff übernehmen, einkaufen, alles verstauen und am Sonntagfrüh Segel setzen – das ist eh nicht gerade Entspannung pur.

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Mourtos

Obendrein hatten wir in Mourtos wirklich unterhaltsames Hafenkino. Da waren zum Beispiel Engländer, die absolut entspannt, sehr lässig und lautlos ausliefen. Nach zwei Bootslängen stoppte die Jacht, offenbar hatte sie Grundberührung, das Hafenbecken ist nur zwei Meter tief und verschlammt. Der Skipper blieb allerdings einfach sitzen, er stand nicht einmal auf, verlor auch kein Wort, ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und schwenkte das Steuerrad seelenruhig abwechselnd nach Steuerbord und Backbord, trank dabei seinen Tee, gab weiterhin Gas und irgendwann, als die Furche im Schlamm tief genug war, drehte sich die Jacht über ihrem Kiel und bewegte sich aus dem Hafen heraus. Übrigens hatte sich auch die Ehefrau des Skippers nicht von ihrem Platz erhoben, sie hatte nur ein paarmal am Tee genippt.

Leinen los?

Ein bissl unrunder lief es bei zwei Deutschen Ehepaaren. Sie hatten für eine Woche eine Bavaria 38 gechartert, der Skipper ein erfahrener Segler, der schon vier der sieben Weltmeere besegelt hatte. Aber auch ein Haudegen kann mal danebenhauen. Beim Ablegen schien alles nach Plan zu laufen, jeder Mann, jede Frau an der richtigen Position, der Skipper gab Befehle, die Crew bewegte sich im Takt dazu. Klar zum Ablegen, alle vier winkten und riefen uns „Gute Reise“ zu, Skipper Frank gab Gas. Nichts bewegte sich. Er gab mehr Gas, die Jacht erzitterte, kam aber keinen Fuß voran. Jetzt wurde der Skipper nervös, schaltete in den Leerlauf, kurz in den Rückwärtsgang, wieder in den ersten, gab erneut Gas – wieder nichts. Da entdeckte Christoph den kleinen Fauxpax. Die Heckleine war noch belegt, die Skipper-Frau stand daneben und wartete auf das Kommando „Leinen los“, das bis dato nicht gekommen war. Das weitere Ablegemanöver verlief dann sehr zügig, wie lang die anchließende Diskussion zwischen Skipper und Skipper-Frau gedauert hat, kann ich nicht sagen, wir hörten jedoch noch von weit draußen im Hafenbecken ihre Stimmen, sie klangen nicht liebevoll…

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Gaios

Christoph und ich machten von Mourtos einen Schlag nach Paxos – bei strahlendem Sonnenschein wohlgemerkt, auch der Wind hatte nachgelassen, wenngleich der Starkwind den Tag davor eine starke Dünung zurückgelassen hatte – ein kleiner Vorgeschmack auf die Atlantikwellen, ziemlich beeindruckend im sonst so windgeschützen ionischen Meer. Gaios auf Paxos ist übrigens spannend beim Ein- beziehungweise Auslaufen, von der Nordseite führt ein Kanal zu der malerischen Hafenstadt, Richtung Südosten ist das Hafenbecken durch eine Mauer geschützt, nur wenige Skipper riskieren die Durchfahrt, da der Untergrund steinig ist und die Durchfahrt nur genau in der Mitte eine Tiefe von zwei Metern hat. Wir haben es erfolgreich riskiert, sind dabei ziemlich ins Schwitzen gekommen.

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Von Paxos ging es über Lefkas bis Vathi auf Meganisi, der nächste wunderschöne kleine Hafen, ein weiterer Lieblingsplatz auf unserer Griechenland-Best-of-Liste. Zurück ging es über Parga am Festland und Petriti auf Korfu nach Korfu Stadt. Ich gebe es zu, vor Korfu hat es ungefähr zehn Minuten geregnet,  während über der Stadt eine schwarze Wolke hing, und in Korfu Stadt haben wir am Abend eine Weste gebraucht. So viel zum Wetter im ionischen Meer vor zehn Monaten.

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Vathi auf Meganisi

Übrigens haben wir auf Korfu keinen idealen Hafen gefunden, auch der Revierführer war da nicht sehr aufschlussreich. Zwei Jachthäfen haben nur Plätze für Clubmitglieder, derzeit soll angeblich nördlich der Stadt ein neuer Hafen gebaut werden, den haben wir allerdings nicht gefunden, und mein Captain beschloss, leicht genervt nach der vergeblichen Suche nach Alternativen und einer kleine Q-Wende, um einer energisch tutenden Fähre auf Kollisionskurs auszuweichen, dass wir im kleinen Stadthafen direkt vor der Burg anlegen würden. Da war zwar nur eine einzige Jacht zu sehen, beim Näherkommen erkannten wir, dass die hier schon seit Monaten lag, aber wenn mein Captain einen Plan hat, hält ihn nichts davon ab. Nach einem Manöver wie im Lehrbuch und Maschine aus war uns in Sekunden klar, warum der Hafen völlig Jacht-los war. Es stank hier bestialisch nach Klärschlamm. Als wir am nächten Tag Richtung Korfu Nord ablegten, musste ich tatsächlich das Heck und den Kugelfender mit Spülmittel von grauslich stinkenden öligen Ablagerungen befreien.

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Die Regenfront über Korfu zieht ab

Was ich noch ergänzen wollte: Auch am letzten Tag segelten wir unter besten Windverhältnissen und bei strahlendem Sonnenschein in unseren Heimathafen, Marina Gouvia. Heuer sind wir im September im Norden, in Lemmer in den Niederlanden. Ich fürchte mich schon ein bisschen…

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