Sechs Meter Tidenhub auf einem Fluss? Sowas kann es nur an der französischen Nordküste geben. Wir befinden uns im Hafen von Tréguier in der Bretagne und die zweistündige Fahrt vom Delta des Flusses Jaudy bis hierher ließ uns wahrhaftig staunen. Bei Niedrigwasser – ja, irgendwie schaffen wir es immer, ausgerechnet bei Niedrigwasser anzukommen – musst du höllisch aufpassen, denn nur im betonnten Fahrstreifen in der Mitte des Flusses, der sich wie eine Python durch den Wald schlängelt, bist du auf der sicheren Seite.

Am schlammigen Ufer liegen Boote herum. Kann die nicht mal wer wegräumen? Kleiner Scherz, aber zeitweise sieht es so aus, als hätte ein Kind Spielzeugboote hingeworfen und liegengelassen. Wüssten wir nicht, dass wir in Tidengewässer unterwegs sind, wirkte der Flusslauf so, als wäre die Bretagne von monatelanger Dürre, die die Flusstiefe um sechs Meter sinken ließ, heimgesucht worden.

Heute warten wir auf Hochwasser, bevor wir weiter Richtung Westen starten – dann wird die Landschaft wohl ganz verändert aussehen. Dann werden wir kein schlammiges Ufer sehen, stattdessen werden die Bäume bis ins Wasser reichen und die Boote werden alle dort sein, wo sie hingehören.

Dass es uns vom sehr britischen Guernsey hierher nach Téguier verschlagen hat, gleicht einer Zeitreise, denn das Städtchen ist so bretonisch, wie die Bretagne nur sein kann. Mittelalterliche Fachwerkhäuser und Steinbauten versetzen dich direkt in das 15. Jahrhundert, nur die Autos und Touristen stören ein bisschen (ich weiß, Touristen sind wir ja selbst) aber ansonsten… back to medieval ages. (Wer das ins Bretonische übersetzen kann, darf mir gerne schreiben).


Am Hauptplatz haben wir uns in einem Café gleich einmal ins WiFi eingeloggt und ein bisschen gegoogelt. Die prächtige Kathedrale ist gotisch, die Kartensymbole (Pik, As,…) am 63 Meter hohen Turm sind Hinweise auf die Pariser Lotterien, mit deren Gewinnen der Turmbau finanziert wurde. Etliche Schriftsteller lebten hier, ebenso einige Künstler – und ganz in der Nähe vor über 2000 Jahren Asterix und Obelix. Tatsächlich meint ein Hobbyhistoriker, die Vorlage des fiktiven gallischen Dorfes in Aremorica – der heutigen Bretagne – gefunden zu haben: 50 Kilometer östlich von Tréguier. Aber eigentlich behaupteten Uderzo und Goscinny, das Dorf könnte sich überall an der Küste zwischen Rennes und St. Malo befunden haben.

Wir werden uns die Küste jedenfalls genau anschauen, denn erstens sind die Felsformationen und die rosafarbenen, von der Natur geschaffenen Granitskulpturen einzigartig und zweitens tut man als Segler grundsätzlich gut daran, auf Felsen zu achten. Die Einfahrt nach Tréguier glich einem Hindernislauf, aber Plotter sei Dank, umschifften wir erfolgreich jede Untiefe. Ohne Detailkarte geht hier gar nichts, denn die Felsen kugeln überall im Wasser herum – natürlich oft genug knapp unter der Oberfläche. Mit moderner Technik ist’s bei traumhaften Wetter (Hurra, das gibt’s tatsächlich am Ärmelkanal!) keine Hexerei, obwohl die Vorstellung, wie Maha Nandas Kiel eine Handbreit über den Felsen vorbeizieht, schon irgendwie gruselig ist.


Christoph ist jetzt gerade, als er vom Einkauf kam, der Hafenmeister hinterhergelaufen. „You really are the first Austrian in our Harbour“, rief er schon von Weitem. Gestern hatten wir beim Einchecken im Hafenbüro die internationale, hier noch nie gehörte Kennung (AUT) buchstabieren müssen, der Hafenmeister hatte stirnrunzelnd gefragt, ob wir wirklich aus Österreich kommen, er könne sich an keinen Gast d’Autriche erinnern. Mittlerweile dürfte er seinen Computer durchforstet haben – und freut sich jetzt sehr über seine exotischen Gäste.

Also seid Ihr jetzt – mal fuer kurze Zeit – zu „Binnenschiffern“ geworden. Weiterhin Mast- und Schotbruch und immer eine handbreit Wasser unter dem Kiel,
Pit
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Ja für ganz kurze Zeit 😉 sind gerade an der cote rose granite in Ploumanac’h, soooo schön
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