Best places to be: 5 Brücken am Peenestrom

Wer von euch kann weitersprechen? „Mantje, mantje, timpe te…“ Kennt ihr das Gedicht? Als kleines Kind kannte ich nur das Mittelmeer im Sommer, Europas Badwanne, von seiner blauesten und friedlichsten Seite. Umso faszinzierender fand ich den Gedanken, dass das Meer meterhohe Wellen bilden und sich im Sturm blauviolett färben könne. So stand es zumindest in den Büchern, denn als kleine Leseratte und Kinderbuch-Verschlingering von Winnetou über Pipi Langstrumpf bis Fünf Freunde bestand meine Welt aus unendlich vielen Bildern im Kopf. Aber wenn ich krank war, saß meine Omi oft an meinen Bett und las mir vor. Mein Lieblingsmärchen aus ihrem Munde war „Der Fischer und seine Frau“ aus der Grimm’schen Märchensammlung. Warum? Weil sie die Verfärbungen des Meeres mit wunderbar dramatischer Stimme beschrieb und den Reim so gruselig vortrug: „Mantje, mantje, timpe te, Buttje, Buttje inne See, myne Fru de Ilsebill, will nicht so, as ik wol will.“

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Wolgast

 

Später erfuhr ich irgendwann, dass die beschriebene See die Ostsee ist und der Erstautor Philipp Otto Runge aus Wolgast stammt. Natürlich musste ich, als wir die Ostsee im Sturm besegelten – die See wurde nicht blauviolett sondern nur grüngelb (zum Glück) – am Bug stehen und die dramatischen Worte deklamieren. Ist so ein Tick von mir: Wenn wir Hydra ansteuern, kann ich nicht anders, ich muss „Take this Longing“ von Leonhard Cohen singen. So, falls also jemand von euch jemals mit uns mitsegeln möchte, ist er nun gewarnt. Für den Fall dass ich vor Rio, Shanghai, Bali oder Hawaii Freddy Quinn anstimme…

Um auf die Ostsee zurückzukommen: Also das mit der stürmischen See war mir klar, als wir unseren Törn planten. (Ist dann auch voll und ganz eingetroffen. Aber das ist eine andere Geschichte.) Was mir nicht klar war, dass wir so viele Brücken passieren würden und dass wir unsere Schläge nach den Brückenöffnungszeiten planen mussten.

Stralsund

Die erste Klappbrücke erreichten wir vor Stralsund. Lustigerweise sind wir schon mal oben drüber gefahren. Das war im Jahr 2000, als wir in Norddeutschland auf Sommerurlaub waren und ein paar Tage auf Rügen verbrachten hatten. Jetzt fuhren wir unten durch und mussten davor eine Zeitlang unsere Kreise ziehen, bis sie sich öffnete.

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Wieck

Brücke Nummer 2 passierten wir vor Greifswald. Die Brücke von Wieck, eine alte Holzkonstruktion, die Captain Christoph zum Strahlen brachte. Denn er hatte die Distanz berechnet und genau geplant, wann wir vorort sein müssten, um die letzte Öffnung des Tages zu erwischen. Schließlich war es ziemlich knapp geworden und Christoph versuchte mit allen Tricks noch einen halben Knoten Geschwindigkeit rauszuholen. Mit Erfolg. Gerade, als wir mit vollem Zeug auf die Brücke zuhielten, öffnete sich diese – als wäre der Brückenwärter nur für unsere Passage zuständig – und wir rauschten durch.

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Wolgast

Eine einfache Übung, denn wir hatten den Abend vorher in dem kleinen Hafen von Wolgast festgemacht. In dem Hafen brauchst du übrigens einiges an Vertrauen in dein Schiff, denn da hat’s so wenig Tiefe, dass wir zweimal Grundberührung hatten und umkehren mussten, bis wir ein geeignetes Plätzchen in diesem etwas unberechenbaren Hafen fanden. 1,50 Meter Wassertiefe ist dann doch etwas sparsam. Jedenfalls haben wir das Ablegen einfach so getimed, dass wir zehn Minuten vor der Brückenöffnung von Wolgast gestartet sind – und die Riesenbrücke öffnete sich ebenfalls genau im richtigen Moment vor unserem Bug.

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Zecherin

Die Brücke von Zecherin verbindet ebenso wie jene bei Wolgast die Insel Usedom mit dem Festland. Sie war die einzige Klappbrücke, vor der wir längere Zeit warten mussten, denn sie öffnet sich nur fünfmal am Tag. Da wir aber an diesem Tag ziemlich mit Starkwind beschäftigt waren fehlte uns ein bisschen die Muße, die Öffnungszeiten in den Tagesplan mit einzuziehen. Da hieß es nur „Augen zu und durch“. Hab ich übrigens wörtlich genommen und mir mitten am Tag den besten Platz zum Aufwärmen ausgesucht: im Schlafsack in der Koje eingemummelt ein Nickerchen gemacht.

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Karnin

Da brauchst du nicht auf die Uhr schauen, denn die Brücke kannst du ungehindert jederzeit passieren. Warum? Weil die alte Eisenbahnbrücke zwischen Festland und Usedom nur mehr in Fragmenten besteht. Sie ist 1933 gebaut worden, aber die Seitenteile sind in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs von der Wehrmacht zerstört worden. Der Hubteil steht jedoch bis heute mitten im Peenestrom, er wurde unter Denkmalschutz gestellt. Wie viele Relikte, die im Krieg zerstört und damit ihrem ursprünglichen Zweck beraubt wurden, wirkt die Stahlkontruktion, so beeindruckend sie in ihrer Architektur sein mag, zugleich beklemmend.

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