Von tiefenentspannten indischen Kapitänen und Mängellisten auf Schiffen

Wisst ihr eigentlich, wann mein Captain, der furchtloseste von allen, am Schiff Angst bekommt? Wenn es überladen ist und er selbst nichts zu melden hat, weil er nur zahlender Gast ist. Wo er das erlebt hat? Natürlich in Indien, dort wo die meisten unglaublichen Geschichten passieren.

Grundsätzlich haben wir natürlich keine Angst vor Wasser, Wind und Wellen, da wären wir ja auch mehr als seltsam. Segeln seit über zehn Jahren und haben schon einiges erlebt – ein paar Dinge stehen noch aus, aber eigentlich könnten ich auch gut auf die Erfahrung, in einen Hurrikan zu segeln, verzichten. Letztendlich ist es ein bisschen wie beim Autfahren: so lange man selbst fährt, hat man – zumindest glaubt die Psyche fest daran – alles im Griff. Schließlich muss der Captain vorausschauend planen, muss sorgfältig vorbereiten und immer einen Plan B für den Fall, dass Plan A beim besten Willen nicht realisierbar ist, haben. Dann gibt es ja auch noch die Crew und die besteht in unserem Fall aus einer sehr geringen Personenzahl, nämlich einer: mich. Entsprechend hoch muss das Vertrauen des Captain in seine Deckhand sein – zum Glück lebt er mit ihr schon ein paar Jahrzehnte zusammen – und entsprechend gut muss sie ebenfalls vorbereitet sein.

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Gateway of India,, Mumbai

Anders schaut es aus, wenn man Passagier ist, der Captain nicht mehr ganz nüchtern und auch sonst nicht sehr vertrauenserweckend, das Boot sehr klein, die Welle hoch und die Anzahl der Passagiere unermesslich groß ist. Die Summe dieser Unerfreulichkeiten erlebten wir in Mumbai, wo wir die Idee hatten, die nahe Insel Elephanta zu besichtigen. Die Zahl der Einsteigenden nahm kein Ende, wir saßen schon längst im letzten Winkerl des kleinen Ausflugsschiffes, mit jedem Gast kam die Bordwand der Wasserkante näher und schon im Hafen schwappte die eine oder andere Welle ins Bootsinnere. Die indischen Familien, vom Hundertjährigen bis zum Baby, ließen sich nicht beirren, ihr Glaube an den Captain schien unerschüttlich und als wir endlich ablegten, übertönte der dröhnende, qualmende und stinkende Motor sogar das lautstarke Palaver in diversen indischen Sprachen. Außerhalb des Hafenbeckens nahmen Wind und Welle deutlich zu, die Familien unterhielten sich weiterhin bestens, der Motor dröhnte und qualmte immer mehr und der Captain begann in aller Seelenruhe, während voller Fahrt, mit einer abgeschnittenen Plastikflasche das Wasser aus dem Bootsrumpf zu schöpfen. Eine Sisyphosarbeit, die ihm aber weder Sorgen noch Mühen zu bereiten schien. Christoph sorgte sich dagegen umso mehr…

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Eine Stunde dauerte die Überfahrt, doch als wir zur Anlegestelle kamen, und einige Meter von der Ufermauer entfernt festmachten, war kein Steg zu sehen. Die Passagiere schien das nicht zu stören, sie begannen ganz entspannt, plaudernd und lachend, ihre Sachen zusammenzusuchen und machten Anstalten, aus dem Boot zu klettern. Da bemerkten wir den Anlegesteg – 20 Zentimeter unter Wasser. Offenbar war gerade Flut, daher zogen die Leute einfach ihre Schuhe aus, rafften ihre Saris hoch und wateten am glitschigen Stein, ihre Kinder, Taschen und Jausen balancierend, bis zum Ufer.

Elephanta ist übrigens für seine Höhlen berühmt.  In einer von ihnen befinden sich aufwändig aus dem Fels gehauene Shiva-Skulpturen, die zu den bedeutendsten Werken hinduistischer Bildhauerei gehören. Die Überfahrt vom  Gateway of India dauert wie gesagt eine Stunde, und falls die Fähren moderner und die Capitäne nüchtern geworden sind, ist ein Besuch von Elephanta sehr zu empfehlen.

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Glück gehabt: bei der Abfahrt hatten wir Ebbe

Kürzlich habe ich gehört, dass die EU ein Internet-Register erstellt hat, in dem Kreuzfahrtschiffe, Fähren, Tanker und andere Schiffe öffentlich gemacht werden. Jene Schiffsunternehmen, die bei Sicherheitskontrollen schlecht abscheiden, stehen auf der Blacklist. Die Fähre nach Elephanta habe ich darauf nicht gefunden.

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