Kanäle, Gondeln, Salinen und Algenfang. Eine komische Mischung? Ist aber die Mischung, die Aveiro ausmacht. Was? Ihr wisst nicht, wer oder was Aveiro ist? Wir wussten es bis vor ein paar Tagen auch nicht, denn die Stadt an der portugiesischen Küste, 60 Kilometer südlich von Porto, zählt nicht unbedingt zu jenen Orten, die uns spontan zu Portugal einfallen. Für Maha Nandas Crew – die ja derzeit zu dritt ist – war Aveiro auch nicht gerade Sehnsuchtsziel, eigentlich fuhren wir den Hafen nur an, weil er der nächstmögliche auf unserem Weg entlang der Atlantikküste bis Portugal war, aber wie so oft bei unbekannten Zielen, wurden wir überrascht.

Dieser Ort ist etwas… ungewöhnlich und das zeigte sich schon bei der Anfahrt. Nach einem unglaublich entspannten Segeltag, an dem wir bei relativ wenig Wind richtig gut vorangekommen waren, änderte sich die Stimmung bei der Hafeneinfahrt schlagartig und kippte von entspannt auf…

Wir haben es echt nicht vermisst, aber Maha Nanda und der Captain gaben beim Segelbergen wieder mal eine Breakdance-Einlage zum Besten und Schuld daran war der Strom – den wir seit Frankreich nicht mehr erlebt und ebenfalls nicht vermisst hatten. Aber Aveiro liegt an einer weitverzweigten Lagunenlandschaft und der Hauptarm des Rio Vouga strömt hier, wo der höchste Leuchtturm Portugals steht, ins Meer. Zu seinen besten Zeiten tut er das in inniger Vereinigung mit der auslaufenden Tide mit sechs Knoten und so gesehen hatten wir Glück, seine besten Zeiten verpasst zu haben, und kamen mit gemäßigtem Tagada-Feeling und auf den nächsten vier Meilen bis zur Marina mit immer noch drei Knoten Strom gegen uns davon.

Zwischendurch, als wir minutenlang am Plotter den rückwärts zeigenden Cursor beobachteten, raufte sich der Captain die Haare: „Wir kommen heute nicht mehr an!“ Die Sonne ging unter, die Kanäle waren ebenso unbeleuchtet wie das Ufer, die Werftanlagen und die alten Fischkutter; von der Marina war weit und breit nichts zu sehen. Ich begann zwei Meilen (!) vor der Marina, Abendessen zu kochen, wir tasteten uns von einer roten Begrenzungstonne zur nächsten, dann endlich… in der letzten Kurve des Kanals konnten wir die Masten einiger Yachten schemenhaft im Dunkeln erkennen. Ein einzelner Steg, im Hintergrund eine Gebäudesilhouette. Wir hatten den Yachthafen erreicht. Um 21.30 Uhr legten wir an, das Essen war fertig, wir waren fertig. Gute Nacht.


Am nächsten Morgen sah alles anders aus. Die Atmosphäre des Yachthafens erwies sich als sehr… speziell. Außer dem schon erwähnten Steg befanden sich auf dem Gelände noch ein mit Graffiti besprühtes altes Industriegebäude, rundum Staub, Sand und Gestrüpp, dahinter ein zweites teilweise verfallenes Gebäude an dessen äußerstem Rand die Marina Office untergebracht war, allerdings täglich nur von 15 bis 20 Uhr geöffnet. „Hier könnte man den perfekten Western drehen, es fehlen nur noch die Tumbleweeds, die rollenden Büsche“, meinte Johannes.


Bis zum Zentrum von Aveiro waren’s nur zehn Minuten und wir waren in einer anderen Welt. Drei Kanäle führen durch die Stadt, die deshalb touristisch als „Venedig Portugals“ vermarktet wird, obwohl es weder eine Rialtobrücke noch venezianisch anmutende Gebäude oder Gondeln gibt. Statt dessen hatte man die alten Boote, die zum Algenfang verwendet wurden, die „Moliceiros“, in Touristenattraktionen umgewandelt und tatsächlich lassen sich unzählige Aveiro-Besucher mit diesen falschen Gondeln durch die Kanäle schippern. Eines muss man den Aveironesen lassen: Humor haben sie. Die Moliceiros sind wirklich kreativ bemalt, von Madonnen über halbnackte, üppige Bikini-Schönheiten bis zum Konterfei von Ronaldo findet sich auf den Gondeln alles, was kitschig ist.


In den Pseudogondeln werden die Besucher bis an den Stadtrand gebracht, wo am Kanal-Ufer weiße Hügel zu sehen sind. Salzhügel. Denn die Lagune von Aveiro wurde seit frühester Zeit für die Meersalzgewinnung genutzt. Salz hatte für Portugals Küche eine besondere Bedeutung, denn es wurde auch zur Konservierung des Fisches genutzt. Der Bacalhau, der gepökelte Stockfisch, ist die bekannteste Spezialität des Landes.

Bei unserem Bummel durch die Beira Mar, die Altstadt von Aveiro, haben wir – respektive unser Gourmet Johannes – am Praça do Peixe die lokale Spezialität, Ovos Moles, getestet. Oblaten mit Eidotter-Creme. Sehr… äh … interessant.

Am Nachmittag wurden die Türen zum Wild-West-Saloon – Verzeihung, Hafenbüro – tatsächlich geöffnet und wir erfuhren, dass die Marina eigentlich als Club geführt wird. Der Hafenmeister, ehemaliger Elektroingenieur aus Sao Paulo in Brasilien, arbeitete hier ehrenamtlich, das Büro war zugleich Clubraum und Treffpunkt für fußballbegeisterte ältere Herren, die irgendein lokales Match am Riesen-Flachbildfernseher verfolgten und dabei lautstark diskutierten. In der Pause gab’s Fisch, frisch von der Stelze geschnittenen Braten und über der Flamme gebratene Chorizo.

Es wäre nicht Portugal, wäre am nächsten Morgen nicht alles wieder anders gewesen. Wie in alten französischen Zeiten brachen wir – Tide und Strom sei Dank – beim Morgengrauen auf. Grauen im wahrsten Sinn des Wortes, denn der Tag begann mit Hochnebel und Tristesse. Eine Stimmung, die den Aveironesen offensichtlich nichts anhaben kann, denn das schlammige, trostlose Ufer war gesäumt von Fischern und im Kanal mussten wir uns vorsichtig durch die Fischerboot-Ansammlung hindurchmanövrierten. Erfahrung macht klug und das Wissen um die Strömung des Rio Vouga nutzend, rasten wir mit Maha Nanda in dreifachem Tempo mit dem wir hineingekommen waren, auf den Atlantik zu und in die Nebelsuppe hinein.

Aber wir sind ja wie gesagt an jener Küste, an der das Wetter nie von Dauer ist und gegen Mittag lichtete sich der Nebel, am Nachmittag fuhren wir bei strahlendem Sonnenschein in den Hafen von Figueira da Foz ein. Die Stadt war das erste und eines der mondänsten Seebäder Portugals, die Dünenlandschaft und der Strand sind ein Traum, die Esplanade und das Stadtzentrum haben aber ihre besten Zeiten eindeutig hinter sich. In der Marina wiederum liegen wir mit Maha Nanda sehr gemütlich und zentral, ein Platz zum Wohlfühlen.


Und außerdem: Viele kommen nur wegen der Wellen nach Figueira da Foz. Für die berühmte rechte Welle von Figueira reisen übrigens sogar Surfer aus Australien oder Kalifornien hierher, haben wir uns sagen lassen. Die ist hier nämlich eine Meile lang. Auch wir sind lange Zeit am Strand gesessen und haben nur geschaut. Für mehr hat unser Mut nicht gereicht…

Ich bin mir nicht absolut sicher, aber ich glaube, dass ich vor vielenJahren – auf einem Ueberfuehrungstoern, auch in Aveiro war. Allerdings haben wir damals nicht in der Marina, sondern im „normalen“ Hafen gelegen.
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Ja die Marina ist ganz klein und weit hinten im Kanal versteckt, davor gibt es einen großen Fischerhafen. Ist wirklich eine seht spezielle Atmosphäre in Aveiro.
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