Drei Tage lang lebten wir ein völlig anderes Leben. Ein Landratten-Leben. Wir haben unser Heim, unsere Maha Nanda, verlassen, haben treulos ein Auto gemietet und waren mit rasender Geschwindigkeit unterwegs. 120 km/h auf der Autobahn nach Sevilla sind schlappe 110 mehr als wir die vergangenen sechs Monate gewöhnt waren. Fühlt sich seltsam an, ebenso seltsam wie das Schlafen in einem Doppelbett in einem riesigen, nicht schaukelnden Raum.


Der größte Luxus: ein heißes Bad und ein Frühstücksbuffet. Ja, ich gebe es zu, ich habe zwei Nächte lang Maha Nanda keine Träne nachgeweint, obwohl das Heimkommen dann wirklich wie zu Hause ankommen war. Ist schon sehr gemütlich, unser Bötchen, auch ohne Wanne und Buffet. Das haben wir nach drei Tagen Abstinenz einmal mehr festgestellt. Und außerdem wurde ich heute von frischem Kaffeeduft geweckt, als ich aus der Koje krabbelte, war der Frühstückstisch schon gedeckt, der Captain höchstpersönlich schenkte mir die erste Tasse Kaffee ein. Captain’s Breakfast. Wer von euch kann solchen Luxus für sich beanspruchen?

Durch Spaniens Landesinnere zu cruisen, vorbei an endlosen Olivenhainen, Farmen, Stier und Pferdezuchten, das hat schon was! Unser Ziel war Sevilla, die Hauptstadt von Andalusien. Die maurisch-spanische Architektur hat es uns wirklich angetan, ist ein völlig anderer Baustil, als wir ihn jemals in irgendeinem Teil Europas gesehen haben. Wir haben die Stadt so besichtigt, wie es dem klassischen Potmesil’schen Sightseeing-Modus entspricht: stundenlang durch die Gassen streunen, jeden Winkel der Stadt erobern, der fußläufig erreichbar ist, immer wieder mal einen Stopp für einen Kaffee oder einen Cocktail einlegen und schauen und schauen…


Was wir nicht gemacht haben: uns in einer der langen Schlangen bei der Plaza de Toros (der Stierkampfarena) und dem Alcázar-Palast angestellt. Hallo! Es ist November, ein kühler, windiger November-Tag! Gibt es Zeiten, an denen die Touristenschlangen kürzer werden? Wir wissen es nicht aber wir müssen nicht jede Sehenswürdigkeit in unserer imaginären Sightseeing-Liste abhaken, wir haben kein Verlangen nach diesen langen Schlangen.

Zurück nach Vila Real sind wir über Gibraltar gefahren, da wir ja nicht ins Mittelmeer segeln, mussten wir uns dem Felsen eben von der Landseite her nähern. Spektakulär und auch schräg. Grenzübergang, Passkontrolle und dahinter erwartet dich ein kleines Stück Großbritannien. Ein vier mal eineinhalb Kilometer großes Stück, das hauptsächlich aus dem Felsen, the Rock of Gibraltar, besteht. Mit Bobbys, roten Autobussen und englischen Pubs. Nur den Linksverkehr, den haben die Briten auf diesem kleinen Fleckchen Commonwealth bleiben lassen – was ein bisschen irritierend ist, angesichts des Britain-Feelings, das sich sofort einstellt, wenn man die Grenze überschreitet.



Gleich nach dem Grenzübergang steht man übrigens am Rollfeld des Flughafens von Gibraltar, denn quer durch dieses führt die einzige Straße in die Stadt und alle Besucher fahren oder latschen quer über die Landebahn. 35.000 Eiinwohner zählt die kleine Halbinsel und weil angesichts des dominierenden Felsens, Naturschutzgebiet und unbewohnt, Landknappheit herrscht, hat man – wie in Holland – künstliches Land geschaffen. Das Ocean Village ist eine künstlich geschaffene Touristenwelt – mit Hotelanlagen, einem Casino-Schiff, einer Reihe von stylischen Lokalen entlang eines Piers sowie einer Marina. Uns ist die Altstadt mit der belebten Main Street, den Kasematten und dem Rathaus wesentlich sympathischer als die versnobte Marina-Kunstwelt.




Selbstverständlich mussten wir auch den atemberaubenden Ausblick vom Gipfel des Felsens genießen. Den Blick aufs Mittelmeer – das wir schon Jahre nicht mehr gesehen haben, seit wir unser Segelrevier auf Europas Westseite verlegt haben. Was uns sofort auffiel: Es war ein windiger Tag (wie fast jeder Tag in Gibraltar) und trotzdem hielt sich das Mittelmeer mit Wellenbergen, wie wir sie in den letzten Monaten kennengelernt haben, zurück. Mehr als ein paar Schaukronen war nicht zu sehen, alles friedlich am Wasser.



Den Unterschied zwischen diesen beiden Meeren kannst du nirgends so gut sehen, wie in Tarifa, dem südlichsten Punkt des europäischen Festlandes, jenem Ort, an dem der Atlantik westwärts in das eineinhalb Meter tiefer gelegene Mittelmeer strömt, während die Tiefenströmung vom salzhaltigeren Mittelmeer ostwärts in den Atlantik setzt. Klingt abenteuerlich, ist es auch. Durch diese 14 Kilometer breite Engstelle durchzusteuern ist eine echte Herausforderung, bin gespannt, ob und wann wir mit unserer Maha Nanda hier durchsegeln werden.


Cadiz haben wir schließlich auch noch einen Besuch abgestattet, eine der ältesten Städte Europas, der Legende nach von Herakles gegründet. Alle waren sie hier, an diesem strategisch einmaligen Ort Europas: die Phönizier, die Kathager, die Römer, die Wikinger, die Goten, die Mauren. Wahrlich eine Stadt mit Geschichte – das ist an jeder Ecke der Altstadt zu spüren.


Ganz toll euer Landausflug!
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