Der Tag, als die unechte Schildkröte winkte

Das Licht! Das Licht! Entschuldigt meine Wiederholungen, aber meine Lichtbegeisterung übermannt mich! Nicht umsonst benannte man den Hafen von Las Palmas „Puerto de la Luz“, wir verstehen das, denn wir haben intensive Lichterfahrungen gemacht. Calima, der heiße Ostwind, der Wüstensand von der Sahara Richtung Kanaren trägt, ist hier nicht so beliebt, aber wir lieben ihn. Kam er doch die vergangenen Tage in gemäßigter Form daher und brachte uns viele Vorteile. Zum Einen fantastisches Abendlicht und die schönsten Sonnenuntergänge, die wir jemals gesehen habe. Zum Anderen Sommertemperaturen und Badewetter – ja, liebe frierende Daheimgebliebene, ihr habt richtig gehört: Badewetter.

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Der Atlantik lädt zum Baden ein….
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….wenn man sich ein bisschen überwindet….
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…dieser Mann kann sich nicht überwinden….
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…zu kalt zum Baden, sagt er….
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….nur die tapferen Frauen trauen sich.

Und drittens blies der Calima unsere Maha Nanda sanft von Fuerteventura nach Gran Canaria. 56 Meilen segelten wir von Morro Jable bis zur drittgrößten Insel der Kanaren und erlebten Segeln vom Feinsten. Von der gefürchteten Acceleration keine Spur, stattdessen sanfter Wind und endlos lange Dünung. So sanft gewellt wie die Weinviertler Hügellandschaft wanderte der zwei Meter hohe Atlantikschwell vom Nordwesten auf uns zu, hob und senkte Maha Nanda, die sich langsam aber stetig Richtung Westen vorwärtsschob.

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Adieu Fuerteventura!

Kurze Info für alle Nicht-Segler unter den Lesern: Die gefürchtete „Wind Accleration Zone Canary Islands“ könnte man ganz einfach mit dem Wort „Düseneffekt“ beschreiben. Was heißt, dass der vorherrschende Nordostpassat am Atlantik auf wenige Hindernisse stößt – abgesehen von den Kanaren, die da einfach so mitten im Wasser herumliegen. Zwischen denen quetscht sich der Passat dann durch; das fühlt sich so an, als ob er kurz Luft holen, sich dann dünner machen und die Luft umso fester rauspressen würde. Tut er das sehr intensiv und steht dann auch noch Schwell gegen Windwelle, wird’s nicht nur stürmisch sondern auch richtig Tagada-schaukelig.

Hüllenlos am Atlantik

Weg von der schiachen Theorie hin zur schönen Realität und die heißt für uns eben: leichter Calima. Wie traumhaft der Tag wirklich war? Wer den kälteempfindlichsten aller Ehemänner kennt, weiß um die Bedeutung dieses Moments: der Captain entledigte sich seiner Kleider. Aller Kleider. Leute, glaubt mir: Wenn an Bord alle Hüllen fallen, ist ein echter Sommertag angesagt!

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Es wird heiß an Bord von Maha Nanda…

Nackt lässt es sich hervorragend nichts tun. Getreu diesem Wissen haben wir einen Tag lang… nichts getan. Naja, außer ein bisschen lesen, essen und schauen. Letzteres können wir beim Segeln am besten, wie unsere treuen Blog-Leser mittlerweile wissen und es zahlt sich immer wieder aus. Wir sahen nicht nur die Umrisse Gran Canarias unendlich langsam am Horizont auftauchen, nicht nur die lange Dünung von Westen und die Windwelle von Osten, die gelegentlich weiße Schaumkronen auf die dunkelblaue Wasserfläche zauberte, wir sahen auch – eine Meeresschildkröte.

Zuchtprogramm Morro Jable

Die kanarischen Küsten liegen auf der Wanderroute von mehreren Schildkrötengattungen, so der  „Unechten Karettschildkröte“, der Lederschildkröte und der „Echten Karettschildkröte“. Durch Fischfang, steigende Nachfrage nach Schildkrötenfleisch, starken Schiffsverkehr und nicht zuletzt den wachsenden Tourismus an den Stränden – wo die Tiere ihre Eier ablegen – ist die Zahl der Schildkröten auf Fuerteventura stark gesunken. Seit ein paar Jahren gibt es ein Schutzprojekt auf Morro Jable, eine Aufzuchtstation, um die Unechte Karettschildkröte wieder anzusiedeln. Was wir gelernt haben: Die Tiere wandern nur zur Eiablage ans Ufer, die restliche Zeit ihres Lebens verbringen sie im Wasser und lassen sich Tausende Meilen treiben. Zur Eiablage aber kehren sie immer an ihren Geburtsstrand zurück.

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Die Sonne steht auf Gran Canaria

Unsere Unechte Karettschildkröte hat jedenfalls ziemlich echt ausgeschaut. Ob ihr es glaubt oder nicht: Wir haben sie recht voraus entdeckt, sie ließ sich ganz nahe an Maha Nanda backbord vorbeitreiben und als sie vorbei war, drehte sie sich um und winkte uns zu. Wir haben es beide gesehen, der Captain und ich! Sie hob ihre rechte Vorderflosse und winkte uns zu!

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Delphine! Wenn ich nur genug kriegen könnt

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Außerdem begleiteten uns auf unserem Weg nach Gran Canaria etliche Delphine, sie zaubern mit ihren Sprüngen und akrobatischen Einlagen jedes Mal ein Strahlen in unsere Gesichter. Delphine wecken in uns immer diesen Juhu-Reflex, egal wie oft wir sie schon beobachtet haben, sie sind einfach zu sympathisch!

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2.30 Uhr, Puerto de la Luz, Las Palmas. Der Captain nimmer ganz taufrisch aber gut drauf.

Um halb drei in der Früh erreichten wir schließlich Puerto de la Luz, etliche riesige Dampfer liegen ein paar Meilen vor dem Hafen vor Anker, sie wiesen uns den Weg. Unser nächtlicher Funkruf wurde – wie meistens – nicht erhört und wir legten kurzerhand direkt vor dem Hafenbüro am Meldesteg an. Sitzt, passt, hält, gute Nacht!

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Puerto de la Luz bei Nacht
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Puerto de la Luz bei Tag

Las Palmas empfängt uns so wie uns Fuerteventura verabschiedet hat: mit strahlendem Sonnenschein, wolkenlosem Himmel und Sommertemperaturen. Was uns zu ungeahntem Arbeitseifer anspornt und die Crew unserer lazy sailing vessel verwandelt sich in eine hyperaktive Putztruppe. Maha Nandas Inneres wird nach außen gestülpt, jeder Winkel gereinigt und jedes Fitzelchen Wäsche gewaschen. Und nach diesem Arbeitsanfall sind wir noch immer nicht geschafft – offenbar haben die vergangenen faulen Tage unsere Energiespeicher bis zur Oberkante angefüllt – und wir radeln noch in die Altstadt, um uns ein erstes Bild von der größten Stadt der Kanaren zu machen.

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Der Chef leistet niedere Dienste
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Alles sauber, Wäsche hängt. Auf in die Altstadt!

Wir müssen sagen: das Bild gefällt uns. Wieder mal – nach Wochen der jungen, ausschließlich für Touristen gebauten, Retorten-Städte – sind wir in einer Großstadt mit Geschichte angekommen. Hier begann Spaniens Koloniealzeit und von hier aus startete Kolumbus Richtung Amerika.

Wir radeln ziellos durch Vegueta, das historische Viertel der Stadt, und lassen die Stimmung auf uns wirken. Am Hauptplatz, der Plaza Santa Ana, bewundern wir die 1497 gebaute Kathedrale, gegenüber befindet sich das Rathaus, ein klassizistischer Bau. Überhaupt ist in Vegueta  ein Mix aus Baustilen zu finden: neben Klassizismus gibt’s auch Renaissance und Mudéjar-Stil – letzter stammt aus der Zeit der maurisch-spanischen Geschichte. 

Uns dämmert, dass Gran Canaria eine Insel mit vielen Gesichtern ist… wie überhaupt die Kanaren: jede der acht  Inseln eine andere Stimmung, eine ander Welt.

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Der Hafen von Las Palmas ist riesig.

6 Kommentare

  1. Zu diesem Beitrag faellt mir mal wieder so Einiges ein. 😉
    Fangen wir mit dem Baden – ob huellenlos oder nicht – im Atlantik an: das waere nichts fuer mich. VIEL zu kalt. Im Sommer hier an der texanischen Golfkueste ist das schon etwas Anderes, bei Wassertemperaturen von zwischen 27 und 29 Grad Celsius. Aber sonst? Nee, danke!
    Die Bilder von den Bohrinseln erinnern mich uebrigens auch an Port Aransas (und an Galveston). Da liegen auch immer welche herum, entweder eingemottet oder zur Reparatur.
    Und sie erinnern mich auch an den Ueberfuehrungstoern von Gran Canaria nach Mallorca. Als wir uns in der Nacht der Strasse von Gibraltar naeherten, sahen wir an backbord voraus ein ganzes Lichtergewirr, und wussten zuerst ueberhaupt nicht, was das war. Beim Naherkommen hoerten wir dann ein tiefes Brummen – von Schiffsdieseln – und konnten erkennen, dass da eine wie ein Weihnachtsbaum erleuchtete Bohrinsel geschleppt wurde. Vorne vier Hochseeschlepper im Faecher, und hinten dran noch ein oder zwei. Dieses ganze Ungetuem war schneller als wir, und so waren wir froh, dass das nicht von hinten aufkam: da waere Ausweichen problematisch geworden.
    Apropos „von hinten aufkommen“: ebenfalls in der Strasse von Gibraltar – wir waren relativ nahe an der afrikanischen Kueste – kam direkt von hinten ein Kuestenfrachter auf, der uns anscheinend ueberhaupt nicht sah. Als er dann wirklich nahe kam – wir haben uns zunaechst einmal darauf verlassen, dass der Ueberholer sich ja vom Ueberholten freihalten muss – habe ich unseren Scheinwerfer auf’s Grosssegel gahalten, und das hat er dann bemerkt und einen Haken geschlagen. Da war uns wohler. Obwohl wir ihm immer noch haetten ausweichen koennen. Die Alternative zum Anstrahlen des Grosssegels waere auch eine Leuchtrakete weiss gewesen. Ich sage dann immer, „Aber nicht senkrecht in die Hoehe, sondern direkt auf die Bruecke zielen.“ 😀
    Und jetzt noch etwas ganz Anderes: ich habe Euch zwei Bilder geklaut. 😉 Das Bild „El Pared im schönsten Moment des Tages“ habe ich einmal auf Fotopapier ausgedruckt, und das Bild von Kreidefelsen von Dover habe ich als Bildschirmhintergrund. Beides will ich auch einmal malerisch umsetzen. Den Sonnenuntergang als Aquarell, und die Kreidefelsen in Acryl. Egal ob’s was wird oder nicht, ich werde berichten.
    Und nun, wie immer, Mast- und Schotbruch und immer eine handbreit Wasser unter dem Kiel,
    Pit

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    1. so eine Bohrinsel in Fahrt – da kann einem richtig mulmig werden, kann ich mir gut vorstellen.
      und das Großsegel haben wir auch schon angestrahlt – das funktioniert tatsächlich…
      außerdem freu ich mich riesig, dass meine Fotos „Verwendung finden“, klau ruhig, so viel du magst – und wenn dich wer fragt, wo die Fotos her sind mach Werbung für den Blog 😉
      Liebe Grüße Richtung Westen, Ulli

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  2. Liebe Ulli,
    das Foto von der englischen Kreidekueste habe ich etwas ueberarbeitet, mit EasyHDR. Da kommen Details besser raus. Und jetzt, auf meinem grossen und hochaufloesenden Monitor, sieht es auch ganz fantastisch aus.
    Apropos Details kommen besser raus: was sich auch noch zeigt ist eine deutliche Vignettierung des Objektivs und ein Flck auf dem Sensor.
    Liebe Gruesse,
    Pit

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      1. Hallo Ulli,
        wie ich aus eigener Erfahrung weiss: das Programm EasyHDR bringt solche Dinge wie Vignettierung und Flecken auf dem Sensor erst so richtig raus. Die Flecken ganz besonders in grossen relativ einfarbigen Flaechen wie z.B. im (blauen) Himmel. Ich habe ein ziemliche Menge Flecken auf dem Sensor, aber das Reinigungsprogramm meiner Kamera noch nie genutzt. Anstatt es so einfach zu haben, mache ich (Bloedmann) mir viel mehr Arbeit und beseitigen die Flecken einzeln und von Hand im fertigen Bild mit dem Programm „Inpaint“. Mal sehen, wann ich vernuenftig werde. 😉 „Inpaint“ ist absolut gut, wenn man Stoerendes aus dem Bild entfernen will, z.B. Telegrafenleitungen. Aber fuer den Sensor gibt es ja eben Reinigungsprogramme.
        Liebe Gruesse,
        Pit

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