Menschen am Meer: Schweizer Ehepaar mit Abenteuer-Gen

Ein Schweizer und eine Deutsche, beide auf der Flucht vor ihrer zukünftigen Ehe, treffen einander in Südafrika und heiraten. Das ist der Beginn der gemeinsamen Geschichte von Rita und Frank, die mit ihrem Katamaran derzeit neben uns in der Marina Portimao liegen.

Wir segeln nicht, um Meilen zu machen, um Geschwindigkeitsrekorde zu brechen, nicht wegen der sportlichen Herausforderung und nicht wegen der Dramatik von Sturm und Welle. Wir segeln um zu reisen und dabei Menschen kennen zu lernen. Das ist unser Plan und trotz aller technischen Widrigkeiten und obwohl wir unsere großen Reiseziele wohl nie erreichen werden, ist dieser Plan zumindest aufgegangen. Wir lernen wunderbare Leute kennen, Menschen, deren Geschichten wir stundenlang lauschen, die uns berühren, faszinieren, verzaubern.

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Wir sitzen im Salon von Ritas und Franks Kat „Gin Gin“ und sind erst mal schwer beeindruckt. Die beiden haben zu Hause in der Schweiz alles verkauft, um sich ihr neues Zuhause leisten zu können. Und zwar ein richtig Neues: Denn der Kat, eine Lagoon 450 S, ist brandneu und in so einem Ding waren wir noch nie. Daher gab’s zuerst eine Führung in sämtliche Räume – und derer gibt es etliche. Drei Doppelkojen, drei Bäder, Stauraum ohne Ende, die Technik spielt alle Stückeln und die Männer beugen sich ewige Zeiten über den Motor (neben dem unser Bukh wie ein 100 Jahre alter Traktormotor wirkt), um diesen zu bequatschen. Der Blick vom Steuerstand aus drei Metern Höhe ist natürlich unvergleichlich und dass Segelmanöver vollautomatisch auf Knopfdruck laufen, ist ja selbstverständlich…

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Im Salon genießen wir den Luxus von Espresso beziehungsweise Cappuccino und aus der Kaffeerunde wird eine lange Nacht, denn wir können nicht aufhören, den Geschichten der beiden zu lauschen. Rita „flüchtete“ in den 70er-Jahren vor einer Hochzeit, die ihr Zukünftiger ohne ihr Wissen, geschweige denn ihre Einwilligung, geplant hatte. Gemeinsam mit einer englischen Freundin kaufte sie in Algerien einen Land Rover und die beiden kurvten ein Jahr lang durch Afrika, von Algier bis Pretoria. So lange, bis sie keinen Cent mehr in der Tasche hatten und auf einer Parkbank übernachten mussten. Durch Zufall ergatterten beide einen Job, ein weiterer Zufall verschlug Rita wenig später ins deutsche Sekretariat von Siemens – und dort lernte sie schließlich Frank kennen.

Einfach schnell weg

Der wiederum war ein paar Jahre zuvor vor seiner Freundin geflüchtet, die – da war er gerade 20 Jahre alt – auf der Stelle heiraten und eine Familie gründen wollte. Gemeinsam mit einem Freund – der kurz vor der Abfahrt kalte Füße bekam und absprang – wollte Frank nach Südafrika, wo es in den 70er- und 80er-Jahren ein Leichtes war, mit einer technischen Ausbildung einen Job zu bekommen. „Ich wusste nichts über dieses Land, außer, dass es wohl, dem Namen nach zu schließen, im Süden von Afrika liegen müsste“, grinst Frank.

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1977 kehrten die beiden in die Schweiz zurück, heirateten und gründeten eine Familie. Aber wie das so mit Menschen mit Abenteuer-Gen im Blut ist, die können nicht ihr Leben lang im gleichen Dorf wohnen und dort friedlich im Ruhestand den Garten pflegen und Arm in Arm spazieren gehen.

Gesegelt ist Frank schon bevor er in die Schule kam. Am Vierwaldstätter See. „Ich fand eine Holzkiste und gemeinsam mit meinem zwei Jahre älteren Bruder bastelten wir aus einem Besenstiel und einem Leintuch Mast und Segel, schraubten zwei Räder auf die Kiste, banden diese mit einer Schnur ans Fahrrad und fuhren zum See.“ Dort wurden die Räder wieder abmontiert und die beiden Buben stachen in See. „Es funktionierte tatsächlich, wir wurden vom Wind weit hinausgetrieben.“ Wie ihr euch denken könnt: Zurück kamen die beiden nicht mehr ohne fremde Hilfe. Ein Fischer schleppte die beiden in ihrer Kiste wieder ans Ufer und sagte: „Buben, so geht das nicht!“ Er zeigte ihnen eine Jolle und erklärte, dass Paddel und Ruder unabdingbar wären. Somit fuhren die beiden mit Rädern und Segel-Kiste wieder nach Hause, schnitten mit einer Säge ein paddelförmiges Gebilde aus einem alten Brett, befestigten an einem Besenstiel ein weiteres Brett – das Ruderblatt – und fixierten dieses mit einem Gürtel auf der Kiste. Dann ging’s wieder mit den Fahrrädern zum See. „Als Erstes brach das Ruder ab, dann verloren wir das Paddel. Der gleiche Fischer rettete uns wieder“, erinnert sich Frank.

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Irgendwann hat er dann doch richtig segeln gelernt, zum Glück, sonst hätten wir Rita und Frank ja nie kennengelernt. 2008 starteten sie mit einem 25 Jahre alten Boot vom Mittelmeer Richtung Karibik. Aus dem geplanten einem Jahr Auszeit wurden fünf Jahre, die meisten davon auf den zahlreichen Pazifik-Inseln von Neuseeland über Australien bis Polynesien. Dann verkauften sie in Australien ihre Yacht und kehrten in die Schweiz zurück.

Seekrank, na und?

Heuer im September sind sie mit ihrem neuen Boot gestartet. „Ein völlig anderes Segelgefühl, ich muss mich erst daran gewöhnen“, sagt Frank und ergänzt. „Ich weiß, dass viele Vollblut-Segler sagen, das ist nicht richtiges Segeln“, aber die beiden sehen den Kat in erster Linie als ihr neues Zuhause. Und das für lange Zeit, daher muss es so bequem wie möglich sein. Und dann wäre da noch die Seekrankheit. „Ich werde auf Langfahrten immer seekrank“, erklärt Rita. Tabletten helfen nur bedingt, fünf Wochen bis zu den Marquesas bedeutet fünf Wochen nichts tun können, außer den Horizont zu beobachten. „Beim Lesen wird mir schlecht, beim Kochen, beim Handarbeiten… ich kann nur schauen.“ Christoph und ich sind beeindruckt. Rita liebt das gemeinsame Reisen auf See so sehr, dass sie sich selbst von Seekrankheit nicht einschüchtern lässt! Das nennen wir Tapferkeit. „Mit dem Kat geht es mir definitiv besser“, lächelt sie jetzt. Das ist gut so, sehr gut sogar. Denn immerhin wissen die beiden nicht, wie lange die Reise, die vor einem Monat begann, dauern wird…

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10 Kommentare

  1. Hallo zusammen

    Mit viel Interesse habe ich euren Blogeintrag über Frank und Rita gelessen.
    Frank ist mein Onkel und Rita eine tolle Frau. Solltet Ihr die zwei nochmals sehen, richtet Ihnen liebe Grüsse aus.
    Euch allen eine gute unfallfreie Fahrt und geniesst das Abenteuer.
    Liebe Grüsse aus der Schweiz

    Jan Morgen

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  2. Welch schöne Geschichte von Rita und Frank. Die Engländerin, mit der Rita durch Afrika gefahren ist, war meine Mutter. 🙂
    So schön, auf diesem Wege von Rita und Frank zu hören.
    Wir denken an Euch!!!

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  3. Hoi zäme
    Kurz vor meiner Auswanderung nach Deutschland durfte ich Rita&Frank für die Sanierung Ihres Bades (Frank denkt nicht daran jemals hier die Zähne putzen zu wollen) kennen zu lernen. Die erst angenommene schwere Aufgabe der Beratung (Bauführung überspitzte die Interessen der Bauherrschaft) entpuppte sich als legére Auswahl der Apparate bei Sabag in Cham. Ein Paar sucht sich sanitäre Apparate aus die sie wahrscheinlich nie selber nutzen werden (bin gerade am schmunzeln, die beiden wissen warum) Das finde ich toll.
    Bodenständig, ehrlich …….
    Liebe Rita, lieber Frank, ich wünsche euch noch viele Bekanntschaften und den nötigen Wind dazu. Bliibid Gsond ond Zwäg.
    Vielleicht mal an der Hanse Sail?
    Ganz liebe Grüße an alle.
    Katrin&Dani

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