Touristen-Legebatterien sind eine Welt für sich

Entsetzlich und wunderschön zugleich. Wir haben uns Portimão ganz anders vorgestellt, beziehungsweise nicht vorstellen können, was uns erwartet. Die Praia da Rocha ist einer der schönsten Küstenabschnitte unserer bisherigen Reise: bizarre Felsformationen mit Türmen, die wie von der Natur gebaute Kathedralen in die Höhe ragen, Grotten, die nur übers Wasser erreichbar sind, breite Sandstrände und traumhaftes Sommerwetter.

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Kleines Nickerchen am Weg nach Portimão

Allerdings wird der größte Teil der wunderbaren Landschaft durch nicht ganz so natürlich geschaffene Formationen verunstaltet. Meilenlange Hotelburgen-Reihen erheben sich direkt hinter den Felsen. Tribut an den wichtigsten Wirtschaftsfaktor der Algarve: dem Massentourismus.

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Praia da Rocha vom Meer aus, Algarve

Portimãos Marina liegt an der Mündung des Arade, mit Blick auf das malerische Dorf Ferragudo auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses. Hier liegen einige Yachten vor Anker, die Stimmung ist bezaubernd. Ein Zauber von kurzer Dauer, denn wenig später machen wir uns mit den Rädern in die Altstadt auf, immer den Fluss entlang an der Uferpromenade – und sind ziemlich ratlos.

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Portimãos Uferpromenade am Arade.

Ein nennenswertes Zentrum hat Portimão nicht zu bieten, die Altstadt wirkt verwahrlost, der Verkehr, der in Form eines chaotischen Einbahnzirkus geregelt wird, ist nervig. Wir kommen nur mühsam mit unseren Rädern voran. Ein paar hübsche Fleckchen finden wir dann doch noch in diesem seltsamen Ort, an dem der Massentourismus – wie schön! – ziemlich vorübergeht.

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Marina Portimão
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Auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses liegt Ferragudo

Der findet nämlich in einem anderen Ortsteil statt, wie wir wenig später mit Staunen feststellen. Als All-Inclusive-Verweigerer ist diese Form des Urlaubens, wie sie sich hier in Portimao zeigt, für uns völliges Neuland. 90 Prozent der Stadt bestehen aus Hotelanlagen, riesige Bunker-artige Gebäudekomplexe, die sich von der Praia da Rocha nach Norden Richtung Landesinnere wie ein Krebsgeschwür ausbreiten. Hier in diesen Touristen-Legebatterien verbringen Tausende Portugalgäste ihre Urlaubswochen, spulen täglich ihr Programm mit Frühstücksbüffet, Strand-Shuttle, Mittagsbüffet, Strand-Shuttle, Abendbüffet und Shopping-Meile ab.

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Street-Art in Potrimão

 

Jetzt sitzen wir beim Kaffee im Cockpit unserer Maha Nanda und denken über verschiedene Lebensmodelle nach. Was ist es, das uns seit Jahren abseits vom Mainstream reisen lässt? Sind wir ewig auf der Suche nach neuen Eindrücken, nach Abenteuer, nach dem Kick, das Fremde kennenzulernen und ein bisschen in andere Welten einzutauchen? Warum treibt es uns immer weiter voran? Warum wollen wir nirgends lange verweilen, sind froh anzukommen und dann wieder in Erwartung, endlich loszufahren?

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Fischförderband, Algarve

So viele Menschen wir kennenlernen, so unterschiedlich ist ihre Lebenseinstellung. Auch unter Seglern. Viele bleiben ausschließlich ihrem heimatlichen Revier treu, genießen in ihrer Freizeit einfach das Leben an Bord, andere pflegen seit Jahren ihr Nomadenleben, haben mehrfach den Atlantik überquert, leben und arbeiten an Bord. Franka und Sebastian aus Deutschland zum Beispiel: Sie arbeiten online, leben seit zwei Jahren auf ihrer Peace Arrow  und lassen sie jetzt – mit ein bisschen Wehmut – über den Winter in der Algarve zurück. Ein paar Monate in einer geheizten Wohnung mit Dusche und Heizung haben auch ihren Reiz.

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Marieke und Ronald aus den Niederlanden wiederum sind wie wir im Mai gestartet. Sie haben drei Jahre geplant. Ziel: Australien. Die gemeinsamen Abende mit ihnen sind herzlich und unterhaltsam. Die beiden sind so wunderbar unkompliziert und – ähnlich wie wir – vorsichtig abwartend. Mal schauen, wann wir wo sein werden und vor allem… was nach der Auszeit kommt. Wo auch immer wir euch das nächste Mal treffen mögen: Wir freuen uns schon darauf. Jetzt aber mal los Richtung Süden!

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Praia da Rocha, Algarve

4 Kommentare

  1. Hallo,
    wir haben von einer gemeinsamen Bekannten von eurer Reise erfahren und lesen seitdem regelmäßig euren Blog. Weil wir Ähnliches mit unserem Boot in absehbarer Zeit planen, interessieren uns eure Erfahrungen und ehrlichen Einblicke in das Bordleben natürlich sehr. Wir kommen auch aus dem Weinviertel, arbeiten seit vielen Jahren in Hohenau und entdecken vielleicht auch deshalb viele Gemeinsamkeiten beim Lesen eurer Berichte. Jedenfalls wünschen wir euch eine wunderschöne Zeit an Bord und freuen uns auf eure weiteren Beiträge mit tollen Fotos!
    Eine Handbreit Wasser unterm Kiel wünscht euch die Crew der Ilot
    Beate & Erhard

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  2. Solche Reisen sind eben ganz toll, Man bekommt einfach nicht genug. Immer weiter -.doch eines Tages ist man wieder auf festen Boden und dann faengt man diese Abenteuer erst richtig zu geniessen an.
    Jeder moechte sein Platzerl finden. Ich habe meinen gefunden. Diesen Winter bin ich wieder in Costa Rica.
    Passt gut auf euch auf. L.G.
    Karlheinz- Ex Red Devil, Canada

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