Der durchschnittliche Niederösterreicher verbringt wenige Nächte in einem Fischerhafen. Das behaupte ich jetzt mal, ohne es recherchiert zu haben. Ist aber ein Erfahrungswert, da wir selbst keine gebürtigen Seebären sondern waschechte niederösterreichische Landeier sind. In diesem Jahr ist für Captain Christoph und Deckhand Ulli aber alles anders und mit Maha Nanda haben wir schon einige Nächte in kuscheliger Nähe zu den großen Trawlern verbracht, so wie kürzlich in Malpica, einem Fischerdorf westlich von A Coruna.


Es ist wunderschön, abseits der Touristentrampelpfade einen Abend in einem Hafen zu genießen, zugleich aber ein bisschen seltsam. Denn irgendwie fühlen wir uns als Eindringlinge in diese harte Arbeitswelt. Während wir zum Vergnügen mit unserem Sportbötchen durch die Gegend schippern, legen die Fischer – uns, die wir gemütlich im Cockpit zu Abend essen, zuwinkend – ab und verbringen die Nacht bei schwerer Arbeit am Wasser, egal wie hoch die Welle und aus welcher Richtung der Wind.

Auch wenn wir mit unserer 40 Jahre alten Stahllady und einer nach heutigen Fahrtensegler-Standards Minimal-Ausrüstung unterwegs sind, verbringt Maha Nandas Crew im Vergleich zu ihnen ihre Tage im Luxus. Zwar ist es kein Problem für die Besatzungen der Trawler, dass wir an ihren Schiffen festmachen – schlimmstenfalls müssen wir im Morgengrauen raus, wenn sie ablegen – aber als selbstverständlich betrachten wir’s nicht. Überlegen gerade, wie es wäre, wenn Touristen am Abend ihr Zelt am Weinviertler Gerstenfeld neben dem Mähdrescher aufschlagen, die Zeltschnüre an den dicken Reifen fixieren und dann im Morgengrauen genervt alles wieder abbauen müssen, weil der Bauer seinen Mähdrescher starten will. Oder noch besser: mit dem Wohnmobil.

Ach ja, wie ihr vielleicht gemerkt habt, sind wir doch endlich ein Stückchen Richtung Südwesten vorangekommen. Haben dem Wind eine lange Nase gedreht und eine Nachtfahrt eingelegt. Denn wenn der nur dann in die richtige Richtung bläst, wenn wir eigentlich schlafen wollen, machen wir eben die Nacht zum Tag. Der Plan ging auf, wir haben A Coruna erreicht und zwei Tage in dieser sehenswerten Stadt verbracht. Faszinierend sind die für Galizien typischen Häuser mit den verglasten Terrassen.

Sehenswert ist auch der weltweit älteste Leuchtturm Torre de Hércules, 100 nach Christus von den Römern erbaut. Das Leuchtfeuer dieses dicken Wastls haben wir schon 30 Meilen vor A Coruna gesehen, es hat uns also fast die ganze Nacht hindurch den Weg gewiesen.

Der zweite Tag in A Courna erfreute uns mit Sprühregen und Nebel – nicht ganz nach unserem Geschmack, aber: Im Durchschnitt hat du hier fünf Tage die Woche Nordwind, Wärme und Sonne, dann dreht der Wind für zwei Tage auf Süd und bringt Regen bevor sich alles wieder zum Guten wendet. Was tut man bei Regen und Nebel? Richtig! Das was alle Langfahrtsegler tun, ein bisschen am Boot herumbasteln. In unserem Fall hieß es, einen Segelmacher ausfindig machen, ihm mit dem Taxi unser Segel zur Reparatur vorbeibringen und am Nachmittag wieder abholen. Dazwischen haben wir eine wunderbare Zeit mit unserem Dauerbrenner-Problem, dem Windgenerator verbracht. Ungefähr 30 Messungen, etliche Mails, What’s Apps, Facebook-Meldungen und Messengernachrichten später waren wir so klug wie zuvor. Mittlerweile sind etliche Techniker – die wir zum Teil gar nicht persönlich kennen, die aber dankenswerter Weise über sämtliche Social-Media-Kanäle Hilfe anbieten – mit unserem Windgenerator-Fiasko beschäftigt… und haben bisher leider keine Idee, wo der Fehler liegt. Tatsache ist, dass Solarpaneel und Windgenerator, wenn sie beide am Netz hängen, keinen oder zu wenig Strom produzieren. Tatsache ist auch, dass, wenn der frustrierteste Captain von allen direkt an den Kabeln misst, Strom fließt.


Sieht nach einer Neverending Story aus, aber, wie Christian, unser deutscher Stegnachbar in A Coruna, selbst seit fünf Jahren mit seinem Boot unterwegs, meinte: Wenn du 50 Prozent deiner Zeit mit Segeln und Genießen verbringst und 50 Prozent mit Reparaturen, darfst du dich glücklich schätzen. So weit sind wir noch nicht, aber wir arbeiten daran.
Medizinmann aus dem Schwarzwald
Christian lebt übrigens, wenn er nicht am Boot ist, im Schwarzwald und hat mit 30 Jahren beschlossen, sein Leben zu ändern. Als erfolgreicher Musikproduzent ging ihm plötzlich auf, dass er in zehn Jahren entweder einen Herzinfarkt erleiden würde oder depressiv wäre, also reiste er in die USA, genauer gesagt nach North Dakota, und wurde Medizinmann. Jetzt, mit 60, lebt er offensichtlich gut von den Einkünften aus diesem zugegebenermaßen für Europäer etwas ungewöhnlichen Beruf. Aber immerhin scheint dieser ihm zu ermöglichen, etliche Monate im Jahr auf seinem Boot verbringen zu können. Sein Lebensstil ist in diesem Fall auch für uns ein unschätzbarer Vorteil, denn Christian entpuppte sich als Galizien-Experte und gab uns Tipps für die schönsten Orte und Ankerplätze bis Vigo.

So sind wir im Fischerhafen Malpica gelandet – wo wir übrigens um 6 Uhr morgens (hier in Westspanien geht die Sonne derzeit um 7.40 Uhr auf) frisch und fröhlich in den Tag starteten und ablegten. Nicht ganz freiwillig zwar, aber die Fischer nebenan kannten kein Erbarmen, sie mussten an die Arbeit. Mitgehangen – mitgefangen. Wie schön passt dieses Sprichwort.

Im Moment faulenzen wir gerade in Muxia. Haben wir uns nach dem heutigen Start zu nachtschlafender Zeit verdient. Das Fischerdorf überraschte uns mit seinem gar nicht galizischen Aussehen. Die Wallfahrtskirche „Santuario de Nosa Sentra de Barca“ steht direkt am Ufer des Atlantik, fast meint man, jede siebente Welle der Dünung rausche durch das Tor in das Kirchenschiff hinein. Vorbei an der Kirche, fährt man in den Hafen und wähnt sich im ersten Moment in Skandinavien. Bunte moderne Häuser, eine völlig neue und fast leere Hafenanlage. Die Promenade, die Cafés, die Grünanlagen am Meer sind blitzsauber. Nichts ist einem etwas schmuddeligen alten Fischerdorf unähnlicher als Muxia. Woran das liegt? An einer der größten Umweltkatastrophen der Nullerjahre, dem Untergang des Supertankers Prestige vor der galizischen Küste im Jahr 2002. 64.000 Tonnen Rohöl flossen in den Atlantik vor dem Cap Finisterre, eine Ölpest in einem Ausmaß, das Europa noch nie erlebt hatte, überschwemmte die spanische Westküste. 250.000 Seevögel verendeten, die Strände verfärbten sich schwarz, in Fischerdörfern wie Malpica und Muxia, erreichte die klebrige schwarze Masse die Gassen, spritze der Atlantik seine ölverpestete Welle bis auf die Fassaden.

Jahre später hatte sich nicht nur die Umwelt schneller erholt, als man zu hoffen gewagt hatte, sondern die Region entwickelte sich positiv: der Tourismus erblühte. Es waren nicht zuletzt die Bilder von freiwilligen Helfern an Spaniens vormals grüner, danach schwarz-öliger Küste, die erste Schaulustige anlockte. Schon bald wurden enorme Investitionen getätigt. Mit staatlichen Entschädigungsmaßnahmen (die spanische Regierung war nicht am Ablauf des Unfalls unschuldig), Spendenaktionen und Fördermitten aus öffentlicher Hand wurden Hotels und Hafenanlagen gebaut, krumme Gassen saniert und neue Promenaden und Cafés errichtet. Dörfer wie Muxia wurden quasi neu erschaffen. Und dennoch bleibt ein schaler Nachgeschmack.

Sieht so toll aus. Aber kommt mal rüber nach USA. Wir haben tolle Hafen hier. Nächsten Montag fahren wir mit unserer Motor Coach nördlich durch Amerika
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Fahrt ihr den intracoastal waterway? Der muss toll sein. Ja wir schaffen es vielleicht eh bis Florida, wollen im Winter über den Atlantik in die Karibik und dann Richtung Florida, aber ob wir es schaffen, hängt von vielen Faktoren ab. Weil du aber ohnehin unsere Reise mitverfolgst, wirst du es mitbekommen, wenn wir in eurer Nähe sind 😉 Wäre schon super, wenn wir uns treffen könnten. Liebe Grüße, Ulli und Christoph
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