Bis zum Ende der Welt und darüber hinaus

Wir hatten gerade Besuch von vier Männern in Uniform an Bord, alle vier ausgerüstet mit dem gleichen Bürstenhaarschnitt und einer Waffe im Holster. Grüßten aber extrem freundlich und plauderten dann auch sehr unterhaltsam mit uns – während sie ihre Zollkontrolle durchführten. Das tun sie hier ein Brest stichprobenartig, vor allem an Booten mit ungewöhnlichen Flaggen, teilten sie uns mit. Ihre Frage nach Waffen an Bord verneinten wir ebenso wie jene nach über 10.000 Euro. Leider. Über 10.000 Euro zu besitzen wäre gar nicht schlecht…

DSC_1810
Phare del’Ile de Vierge, Finistère, Bretagne

Falls ihr die Lage von Brest nicht sofort zuordnen könnt, hier die wichtigste Information. Ja, wir haben die unsichtbare Grenze zwischen Ärmelkanal und Atlantik überschritten – respektive übersegelt. Habe vorher noch schnell gegoogelt: Die offizielle Marke liegt in der Linie von Lands End in Cornwall und dem Phare de l’Ile de Vierge vor Finistère. Das Ende der Welt hätten wir also schon mal erreicht, haben sogar schon ein paar Meilen über den Rand des irdischen Suppentellers geschaut. Die Suppe schwappt hier ziemlich stark über den Rand – es ist die Atlantik-Dünung, die uns von nun an längere Zeit begleiten wird und die wir innerhalb weniger Tage schon in mehreren Varianten erleben durften.

dsc_1853.jpg
Phare du Chenal du Four, Finistère, Bretagne

Am angenehmsten ist das sanfte Auf- und Abschaukeln von Dünungsberg zu Dünungstal, es ändert die Perspektive im Zehn-Sekunden-Takt. Mal siehst du das Segelboot querab in voller Größe, dann nur die Mastspitze, mal kletterst du auf den Wellenberg, dann surfst du ins Tal. Weniger fein ist die zusätzliche Welle auf die Nase, die wir beim Umrunden von Finisterre zur Dünung dazubekamen. Dauerte allerdings nur ein paar Stunden, dann kamen ein die unvermeidlichen, unerquicklichen, ungemütlichen Overfalls, die wenig später erneut von sanfter Dünung abgelöst wurden.

DSC_1845
Einfahrt vor Aber Wrach, Finistère
DSC_1797
Felsen wohin man auch schaut. Die Küste von Finistère, Bretagne

Unsere Route seit unserem letzten Blogbeitrag: Von Roscoff ging es vorbei an der oben erwähnten Ile de Vierge nach Aber Wrach, einem kleinen Hafen an einer Flussmündung, der nur über einen Hürdenlauf durch die bretonische Felslandschaft zu erreichen ist. Drei Einfahrten durch die vertrackten Felsformationen sind möglich, aber nur eine davon ist bei Niedrigwasser – eh klar, Niedrigwasser – ratsam, was für uns einen ziemlich großen Umweg (ja drei Meilen SIND ein großer Umweg, vor allem., wenn gerade der Strom kentert und dich ausbremst) bedeutet hat. Jedoch, unsere Mühen wurden belohnt, Aber Wrach hat wenig zu bieten, das Wenige aber in großartiger Art und Weise. Drei Restaurants und eine Bar – die fantastische Moules et Frites serviert, eine winzige Greißlerei und einen Nautik-Shop. Gratis dazu gibt es den schönsten Sonnenuntergang Frankreichs, ein Ort zum Verlieben. Apropos: Christoph und ich waren hier schon einmal – ist erst 27 Jährchen her – es war eine tour du défi mit einem Wohnmobil bei viel Regen und viel Sturm, auf der Suche nach Menhiren.

DSC_1827
Des Moules avec frites. Formidable!
DSC_1824
Das Zentrum und zugleich Anfang und Ende des Ortes. Aber Wrach, Finistère, Bretagne

Unsere Partnerschaft hat diesen Härtetest, wie ihr sehen könnt, überlebt und wir haben damals wie heute erkannt: Der Wasserweg ist den asphaltierten Straßen bei Weitem vorzuziehen. Kein Stau, keine miserable Straßenbeschilderung, keine überfüllten Campingplätze, Parkverbote für Wohnmobile und teuren Spritpreise.

DSC_1833
Im Hafen von Aber Wrach, Finistère

In Aber Wrach wurden wir übrigens mit seltsamen Klängen in den Sonnenuntergang begleitet. Ein paar Boote vor uns lag eine Yacht mit keltischer Flagge im Hafen und bei Sonnenuntergang wurde die Flagge, begleitet von den einzigartigen musikalischen Lauten eines Dudelsacks, eingeholt. Was Christoph und mich zur Idee einer contre-manifestation, einer Gegenveranstaltung, animiert hat. Wir überlegen, bei Sonnenuntergang, während die Flagge der Republik Österreich eingeholt wird, mit Ziehharmonika und Teufelsgeige heimische Weisen zum Besten zu geben, der Captain in Lederhose, die Crew im Dirndl, dazu ein bissl Schuplatteln als Showeinlage. Ich bin überzeugt, sämtliche Mannschaften im Hafen würden ihre Handykameras auf uns statt auf den blass vor Neid werdenden Dudelsack-Spieler im Kilt richten. Leider haben wir weder Lederhose noch Dirndl in unseren Schapps rumliegen und die Quetschn meines Papas haben wir auch vergessen…

img_20190721_1757298671805415843813613.jpg

 

DSC_1856
Leuchtturm und Kirchenruine Saint Mathieu, Finistère, kurz vor Camaret sur mer

Von Aber Wrach ging es weiter Richtung Südwesten, wir umrundeten das Ende der Welt, Finistère, und machten in Camaret sur mer fest, einem kleinen Städtchen an der Einfahrt zu Brest, zwei Segel-Stunden von der großen Hafenstadt entfernt. An Camaret vorbeizusegeln wäre eine Schande, perfekter kann kein Küstenort sein. Der Hafen liegt an einer mittelalterlichen Festung, die von einer uralten Fischer-Kirche flankiert wird, die Küstenpromenande schmiegt sich im Halbrund um das Hafenbecken und gegenüber, an der Ostseite liegt hinter grünen Hügeln versteckt Brest, das wir gestern durch eine schmale Passage zwischen Felswänden erreichten. Bisschen grantig zwar, denn bei Sonnenschein und Windstärke vier starten wir, um die lächerlichen sieben Meilen bei Regen und Windstärke sechs im Hafenbecken zu beenden. „Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt“, funktioniert bei unserer alten Lady nämlich überhaupt nicht und dass die Hafenmitarbeiterin, die hier mit Schlauchboot unterwegs ist, um Besucher einzuweisen, erst nicht zu sehen war und uns dann in die falsche Box lotste, was uns in Summe drei 180°-Manöver im engen Hafenbecken einbrachte, erhellte unsere Stimmung auch in keiner Weise.

DSC_0048
Fischerkirche in Camaret sur mer
DSC_0029
Camaret sur mer und seine alten Fischerboote

Heute, bei Sonnenschein, mäßigem Wind und sicherem Liegeplatz sind wir wieder versöhnt mit Brest. Bereit für die anstehenden Bastelarbeiten an Bord, damit Maha Nanda Biskaya-fit wird.

DSC_1829
Möwen-Dinner

5 Kommentare

  1. Dass wir aufunserem Uberfuehrungstoern mit der „Tijuana“ vor vielen Jahren bei Nacht und Nebel – aber wirklich – nach Brest rein sind, das hatte ich ja schon erzaehlt. Der Zoll ist bei uns nicht an Bord gekommen. Vielleicht, weil der Skipper immer mjit Schiffspapieren und unseren Reisepaessen selber dahin ist. Aber aus Brest gibt es Anderes zu berichten.
    Wir waren da im Seemannsheim zum Essen und zum Duschen. Das Essen war SA.GEN.HAFT! An langen Tischen mit Baenken davor und Papiertischdecken drauf gab es ein … vier-Gaenge-Menu bester franzoesicher Kueche!
    Und das Duschen ist auch berichtenswert: auf jeder Etage gab es eine Dusche. Unser Skipper hatte die oberste, die vierte Etage. Er hatte sich gerade eingeseift, als wir in den drei Etagen drunter unsere Duscherei anfingen, und als wir unser Wasser aufdrehten, war der Druck nicht mehr gross genug und seine Dusche hoerte auf. Sein Fluchen haben wir durch das ganze Haus gehoert. Aber half ihm nix: er mustte auf Wasser warten, bis wir fertig geduscht waren.
    Zu Erfahrungen mit dem Zoll kann ich von einerm meiner Anderen Ueberfuhrungstoerns [von Gran Canaria nach Mallorca] berichten. Da sind wir zwei Mal vor der spanischen Kueste vom Zoll aufgebracht worden. Das erste Mal war es mitten in der Nacht. Ich komme gerade aus dem Salon hoch ins Cockpit, als mich ein greller Scheinwerfer direkt ins Gesicht anstrahlt und blendet. Ich wollte schon mit meiner Crew wegen schlechten Ausgucks schimpfen, aber dieses kleine Schnellboot [im Prinzip eine kleine Motoryacht] war wirklich, sogar ganz aus der Naehe, nur schemenhaft zu erkennen, wegen der grauen Tarnfarbe. Und ihre Lichter hatten sie auch aus! Die kamen dann laengsseits und fragten, ob sie an Bord kommen duerften. Das hat uns ueberrascht, wie hoeflich sie waren. Natuerlich haben wir nicht abgelehnt, und im Cockpit haben sie dann wieder gefragt, ob sie unter Deck duerften. Dort haben sie sich die Schiffspapiere angesehen und unsere Paesse, und ansonsten nur fluechtig umgeschaut, ehe sie wieder zurueck in ihr Boot sind und abgedreht haben. Ach ja, in die Bilge haben sie schon geschaut.
    Am Tag danach war es dann wieder so weit.Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob das nicht ausserhalb der Hoheitsgewaesser war. Aber wenn der Zoll kommt, dann legt man besser keinen Protest ein. Es war ein richtig grosses Schnellboot, dass da laengsseits kam und zwar Fender ausbrachte, aber keine Ruecksicht darauf nahm, dass die in Hoehe unserer Reling hingen und diese zu verbiegen drohten. Wir haben denen zwar versucht, klar zu machen, dass sie vorsichtiger manoevrieren sollten, stiessen da aber auf taube Ohren. Wir haben dann versucht, unser Boot wenigstens ein wenig abzudruecken, aber das ging nicht, denn da beide Boote direkt nebeneinander her liefen, gab es den bekannten Saugeffekt dazwischen: wir kamen nicht einen Zentimeter frei. Bei denen an Bord war ein alter Opa, ohne Uniforn und in Pantoffeln (!!), aber der war extrem gierig, an Bord zu kommen. Er versuchte schon zu springen, als noch Wasser zwischen uns war. Haetten die Leute auf dem Zollboot ihn nicht zurueckgehalten, waere er noch zum menschlichen Fender geworden. Aber sobald es ging, war er an Bord. Mit ihm noch ein anderer, in Uniform, und der war bei weitem nicht so „untersuchunggsgierig“ wie der Alte. Er fragte wieder, ob sie nach unten duerften. Unten habe ich ihm dann gesagt, dass wir schon am Vortag kontrolliert worden waren. Ob ich das auch durch Stempel oder so belegen konnte, das weiss ich nicht mehr. Er hat dann aber auf eine Kontrolle des Bootes verzichtet und ist wieder ins Cockpit. Nur der Alte war so „durchsuchungsgeil“, dass er nicht hoch wollte, worauf es von oben in scharfen Kommandoton kam, „Venga!“ Und dem musste er sich wohl fuegen.
    So, das war jetzt aber eine lange Antwort, und jetzt ist mal Schluss.
    Ich wuensche Euch alles Gute fuer die Fahrt ueber die Biskaya: nur gute Winde!

    Gefällt 2 Personen

  2. Hallo ihr beiden!
    Ich begleite euch mal wieder auf eure Reise! Habe da etwas von Brest gelesen. Dort ging mein Vater 1944 in Amerikanische Kriegsgefangenschaft.und auf ab mit einen Frachter nach USA.
    Die Fahrt ueber den Atlantik hat damals angeblich 2 Wochen gedauert. Hohe See und zick – zack Kurs
    um Deutschen U – Booten auszuweichen.
    Gruesse euch!
    Karlheinz, Canada ( Ex – Red Devil)

    Gefällt 1 Person

    1. Uns fällt gerade hier an der französischen Küste auf, welche Spuren der Krieg hinterlassen hat. So viele Städte, deren alte Struktur vollkommen ausgelöscht wurde. Von Dürnkirchen und Brests Architektur ist fast nichts übriggebliebene und wurde durch hässliche, schnell und billig gebaute Betonklötze ersetzt.
      Wir werden schauen, wie lange wir über den Atlantik brauchen… auf jeden Fall länger als dein Vater, wenn auch nicht im zick-zack-Kurs
      liebe Grüße aus Brest, Ulli und Christoph

      Like

Hinterlasse einen Kommentar