Champagner zum Feiern und zum Trösten

Champagner muss sein: Nach dem Verlieren braucht man ihn, nach dem Siegen verdient man ihn. Dieser schöne Satz, den unsere Freundin Veronika unter mein gepostetes Foto von unserem ersten Manöverschluck für Neptun und Maha Nanda geschrieben hat, wird unser neues Motto. Vorgestern noch waren wir in absoluter Siegerstimmung. Mag sein, dass jetzt so mancher alte Seebär lächelt, aber für uns war die Fahrt quer übers IJsselmeer etwas Besonderes, denn vorgestern, Tag drei seit dem Start unserer Reise, segelten wir Maha Nanda zum ersten Mal unter Vollzeug.

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Blick aufs IJsselmeer

Des Captain prüfender Blick am Morgen in Stavoren verwandelte sich in ein zufriedenes Lächeln und seine wenige Minuten zuvor noch sorgenvoll gefurchte Denkerstirn glättete sich voll Vorfreude. Während der Nordwind im Hafen in den Wanten pfiff und steife Brise mit grober See vortäuschte, sah es an der Hafeneinfahrt Richtung IJsselmeer ganz anders aus. Windstärke 4 und noch wenig Welle: perfekte Bedingungen für den kurzen Schlag nach Enkhuizen. Jetzt wollten wir doch mal schauen, was unsere alte Lady unter Segeln so draufhat. Ja, wir wurden nicht enttäuscht, auch wenn’s zwischendurch doch ein bissl windiger und welliger wurde – der Captain hatte alles im Griff: das Steuerrad rechts, die Flasche Perrier-Jouët Grand Brut und das Glas in der linken Hand, Wind und Welle rauschten über das Heck von Maha Nanda, Schmetterlingsbeseglung, dazu strahlend blauer Himmel. Dass sich Neptun für diese Premiere einen großen Schluck verdient hat, ist wohl klar und Pit (einer unserer Follower aus Texas) hat Recht: der Bursche muss im Dauerrausch sein, so oft wie der einen Manöverschluck abkriegt. Dass er mit derart exklusivem Champagner verwöhnt wird, kommt allerdings wahrscheinlich nicht so oft vor (wir übriges auch nicht, daher vielen Dank liebe Veronika, lieber Daniel, für dieses exquisite Gastgeschenk).

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Manöverschluck für Neptun, Captain und Crew

In prickelnder Champagnerlaune rauschten wir in den Hafen von Enkhuizen – wo erst der Bootshaken über Bord ging, danach beinahe der Captain. Nein, ich übertreibe ein bisschen. Das mit dem Bootshaken stimmt leider, Christoph selbst war in keiner Sekunde in Gefahr, über Bord zu gehen. Allerdings hatte seine Hand im Kampf mit einer plötzlich einfahrende Böe gegen den Relingspanner den Kürzeren gezogen und bei dem – gelungenen – heldenhaften Versuch beim Anlegen die Leine NICHT loszulassen, um das Abdriften des Hecks zu verhindern, eine Schramme davongetragen. Was unserer guten Laune keine Abbruch tat und wir beendeten den Premierentag mit dem Leeren der Flasche Champagner.

Funkloch

Gestern hätten wir eine zweite Flasche Champagner zum Trost gebraucht, denn Segeln ist tatsächlich ein Auf und Ab – von Wellenkamm zu Wellental. Gestern war Wellental-Tag. Weil das Funkgerät trotz Christophs tagelangen Bemühungen nicht so tat, wie es sollte, musste ein Techniker ran und der diagnostizierte ein zu schwaches Signal. Also holten wir Plan B hervor, wir haben eine neue Antenne am Träger befestigt. Vier Stunden Arbeit an einem Tag, den wir eigentlich als ersten absolut-gar-nichts-tun-Tag anberaumt hatten. Na gut, wir haben ja noch ein bisschen Zeit vor uns, irgendwann wird dieser Tag kommen…

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Enkhuizen, Friesland
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Kaffe im Oude Haven von Enkhuizen

Falls ihr irgendwann im Hafen von Enkhuizen liegt und euch fragt, ob ihr die Räder auspacken sollt, geben wir euch gleich den Tipp: nicht notwendig. In der Zeit, in der wir unsere Klappräder aus der Koje geangelt, über die Reling gewuchtet und aufgeklappt hätten, waren wir schon mitten im Zentrum. Die Altstadt ist bequem im einem halben Tag durchwandert und dabei geht sich auch noch der eine oder andere Kaffee am Oude Haven aus. Vom Café aus hatten wir einen wundervollen Blick auf den Hafen, inklusive dem fast 500 Jahre alten Wehrturm Drommedaris.

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Im 17. Jahrhundert war Enkhuizen eine der wohlhabendsten Städte der Niederlanden und Mitglied der Vereinigten Ostindischen Kompanie.  Die alten Villen direkt am Wasser, die Kirchen, die Stadtmauern und Häfen lassen den Reichtum noch heute erkennen. Was wir allerdings noch nicht herausgefunden haben: Warum die alten Häuser so schief sind. Wir wissen, dass findige Kaufleute die Häuser schmal gebaut hatten, weil die Städte ihre Steuern nach Dachfläche eingehoben hatten und auch, dass Fluchten nach vor geneigt konstruiert waren, um schwere Dinge leichter über Flaschenzüge nach oben befördern zu können. Bekannt ist auch, dass viele Häuser Pfahlbauten sind und sich die Wände im Laufe der Jahrhunderte geneigt haben. (Kennt ihr übrigens den schiefen Turm von Leeuwarden? Fast so schief wie jener in Pisa.) Aber die vielen schiefen Fenster und Türen? Kann der schlammige Untergrund derart aus dem Winkel geratene Fensterrahmen verursachen oder nahmen’s die holländischen Baumeister des 17. Jahrhunderts mit dem Winkelmessen nicht so genau? Egal, wir lieben die urigen krummen Backsteinfassaden. Und die Altstadt von Enkhiuzen sowieso.

 

3 Kommentare

  1. Und ich dachte immer, es hiesse, „Eine Hand fuer’s Boot und eine fuer Dich“ und nicht „Eine Hand fuer’s Boot und eine fuer die Flasche“! 😀
    Wenn Dein Skipper mal eine andere Art zu steuern ausprobieren will, dann schaut mal hier
    https://wp.me/p4uPk8-1gE
    rein. Ihr muesst allerdings ein wenig runterscrollen, bis Ihr seht, wie es unsere Skipperin am 5. April 2018 auf der „When and If“ [der Yacht des frueheren Generals Patton uebrigens] gemacht hat.
    Liebe Gruesse, und versenkt mir nicht zu viele Bootshaken, 😉
    Pit

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      1. Das war ein ganz fantastischer Segeltag: besser haette er nur sein koennen, wenn ich selber am „Roer“ [Dehnungs „e“, kein Umlaut] gestanden haette. Aber die Kroenung war, dass dieser Tag, der 5. April, auch noch exakt mein Geburtstag war.
        Ich weiss nicht, wie weit Du meinen gesamten Text zu diesem Tag gelesen hast, deswegen hier noch eine Erlaeuterung zum Namen „When and If“: als Patton das Schiff kurz vor dem zweiten Weltkrieg fuer sich und seine Frau fuer eine Weltumsegelung hat bauen lassen, hat er dazu gesagt, „After the war we’ll sail her around the world when and if I return.“ Das „if“ haette er wohl besser weggelassen. Er hat die Kriegshandlungen zwar ueberlebt, ist dann aber – noch bevor er nach Hause zurueckkehren konnte – bei einem Autounfall ums Leben gekommen.
        Dort bei der Seglerparade war uebrigens auch ein hollaensiches Schiff, die Oosterschelde. So ein wunderbares Aussehen unter Deck habe ich noch nie zuvor gesehen. Warum ich davon keine Bilder gepostet habe, das ist mir ein Raetsel. Was mich da echt tierisch interessiert haette, und ich habe das ganz erntshaft in Eerwaegung gezogen, war, auf der Oosterschelde [Plaetze waren noch frei] fuer einen Vier-Tage-Toern von Galveston nach New Orleans anzuheuern. Aber dann wollte ich einerseits Mary nicht alleine nach Hause schicken, und andererseits hatte ich nun wirklich keine Bordklamotten dabei.

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