Kulinarik auf höchster Ebene: 30 Meter über dem Markermeer

Liebe Gäste, es wäre an der Zeit, uns zu verlassen. Seid mir nicht böse, der Aufruf ist nicht gegen euch persönlich gerichtet, er ist reiner Selbstschutz aus Eitelkeit. Es geht nämlich um meine Figur. Würden wir so weitermachen wie die letzten vier Tage, müsstet ihr mich vom Schiff rollen, sofern ich überhaupt noch durch den Niedergang passe, denn selten haben wir so gut gegessen wie hier in Lemmer, seid ihr an Bord seid, Veronika und Daniel.

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Ich überlege daher gerade, ob wir den Schwerpunkt unsere Reise verlegen. Weg vom Segeln, hin zu Küche an Bord, was möglicherweise auch mit der Gegebenheit zusammenhängt, dass Maha Nanda immer noch am Parkplatz des Jachthaven Friese Hoek steht und weit von ihrer Bestimmung, die da wäre uns über den Ozean zu tragen, entfernt ist. Essen hat daher zurzeit Prioritätsstufe eins. Aber was für Essen!

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Ein kleines Beispiel gefällig? Da wir den Chef des besten Steakhauses von Wien, Door No. 8 zu Gast haben – dessen Küche übrigens vor kurzem eine Haube erhalten hat – liegt wohl nichts näher, als Steak zuzubereiten. Wie das in der Praxis aussieht? Captain Christoph, blutiger Anfänger in Sachen Kochen, sozusagen in der ersten Woche seines ersten Lehrjahres, beginnt, weil hungrig, mit den Vorbereitungen, packt vier wunderbare Rib Eye Steak-Stücke aus und fragt ganz unschuldig: „Soll ich die in Öl braten?“ Woraufhin Door No. 8-Chef Daniel aus seiner dem harten Arbeitstag geschuldeten Lethargie erwacht und ruft: „Öl? Höre ich hier Öl? Auf keinen Fall in die Pfanne!“ Springt auf und übernimmt ab sofort das Kommando in der Pantry.

Die wichtigsten Steak-Grundregeln vom Meister persönlich:

Das Fleisch darf nicht in eine Pfanne mit heißem Öl gelegt werden, sondern es muss trockengetupft und dann mit Öl massiert werden. Jawohl, richtig gelesen. Fleischmassage ist angesagt, Dann braucht man eine Pfanne, die möglichst viel Hitze behält, zum Beispiel eine gusseiserne, in dieser wird das Steak auf höchster Stufe kurz auf beiden Seiten gebraten, bis es Röstaromen entfaltet, danach wird es in Alufolie eingewickelt und anschließend bei niedriger Stufe mit geschlossenem Deckel maximal eine Viertelstunde garen. Gewürzt wird erst zum Schluss. Salz, Pfeffer – mehr ist nicht notwendig.

Folgende Tricks optimieren die Qualität:

Nicht vorher salzen, weil das Fleisch dadurch Wasser abgibt, was es zum Abkühlen bringt.

Das Fleisch nicht hin- und herschieben, erst umdrehen, wenn es nicht mehr am Pfannenboden klebt.

Faustregel: 5 Minuten pro Zentimeter ist medium, 7 Minuten pro Zentimeter ist well done.

Nur helles raffiniertes Öl verwenden, dunkle Öle beginnen bei 130 Grad Gerbstoffe zu entwickeln.

Was trinkt die Crew mit Stil dazu? Chateauneuf du Pape zum Hauptgang und zum Dessert – Erdbeeren im karamellisiertem Zucker – Champagner.

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Am Ostersonntag haben wir, da die gesamte Crew die Tage davor auf Hochtouren DIE LISTE abgearbeitet und somit einen freien Tag redlich verdient hatte, einen Osterausflug gemacht. Amsterdam stand am Programm. Da wir alle vier nicht zum ersten Mal diese faszinierende Stadt besucht haben, stand statt Sightseeing Kulinarik am Programm. Das Wort Kulinarik bekam mit unseren großzügigen Freunden eine völlig neue Bedeutung, das Abendessen wurde auf eine außergewöhnliche Ebene erhoben. Im doppelten Sinn der Bedeutung. Denn im Zuge unserer Überlegungen, welche Lodaction wir für unser fulminantes Dinner wählen würden, rief Daniel einen seiner Freunde an, der öfter mal Geschäftsessen in Amsterdam abhält und fragte: „Wohin würdest du gehen, wenn du ausgezeichnet und in außergewöhnlichem Rahmen essen möchtest?“ Wir landeten im REM Island, einem Stahlturm am Werfgelände von Amsterdam. 1963 wurde der Turm in Irland gebaut, in der Nordsee neun Seemeilen von der niederländischen Küste entfernt errichtet und als Piratensender verwendet. TV und Radio Nordzee sendete genau ein Jahr lang, dann änderten die Niederlanden den Gesetzestext und der Kontinentalsockel wurde auf 11,5 Seemeilen erweitert, woraufhin die Marine ausrückte und und den Sender gewaltsam räumte. Bis 2004 wurde der Turm als Messstation verwendet, jetzt steht er eben als Restaurant mit einem Rundblick von 30 Metern in Amsterdams Werft.

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Was wir genossen haben? Schwertfisch in Safransoße und Cote de Boef, dazu Cava. Als Dessert gab himmlischen Schokokuchen und Tartelette mit Mascarpone-Creme. Bester Captain von allen, eine kleine Warnung für das kommende Jahr: Nie wieder gebe ich mich mit Geringerem zufrieden.

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