Warum eine Kunsteisbahn auf unserem Boot überflüssig ist

Die meisten Urlaubsländer wären viel schöner, wenn da nicht so viele Urlauber wären. Die Tourismusindustrie scheint unendlich zu wachsen, bald werden wohl acht Milliarden Menschen jedes Jahr in den Urlaub fahren.  Gefühlt eine Milliarde trifft man eh jetzt schon an einem Tag auf der Rialtobrücke in Venedig oder am Eiffelturm in Paris. Am Ozean ist das Gedränge noch nicht ganz so groß – derzeit ist der Gedanke an unsere einsame Maha Nanda, umgeben von Wasser soweit das Auge reicht, noch unvorstellbar. Obwohl die Meere ja auch schon mit Hotelburgen bestückt sind. Schwimmenden Hotelburgen. Die „Symphony of the Seas“ wird mit 6.800 Passagieren vollgestopft – einsam ist da garantiert keiner mehr.

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Im flachen Hafenbecken von Nafplio (alte Hauptstadt von Griechenland) tastet sich ein Kreuzfahrtschiff heran.

Aber jeder soll nach seiner Fasson glücklich urlauben. Kreuzfahrttouristen brauchen sich garantiert nicht über Tidenhub oder Strömungen Gedanken machen, schon gar nicht müssen sie Kurse berechnen oder Grib Files lesen. Nicht einmal solche Banalitäten wie: „Reicht der Kaffee noch bis zum nächsten Landgang oder sollten wir doch Vorrat kaufen?“, irritieren ihren unbeschwerten Reisealltag, denn egal welches Getränk oder welche Speise sie wünschen, es wird serviert – mit weißen Handschuhen und Livree, denn Stil muss sein. (Mein Captain bekommt von mir seinen Kaffee maximal in abgeschnittenen Jeans und T-Shirt serviert, wenn überhaupt…) So ein bissl Luxus mögen viele; versteh ich – mag ich ja auch. Wo ich aber aussteig‘, ist beim Surfsimulator, der Kunsteisbahn und dem „Central Park“  mit 20.000 tropischen Pflanzenarten, den die Symphonie of the Seas in ihrem fetten Bauch über die Ozeane schleppt. Da lese ich doch allen Ernstes auf einer Webpage über dieses Ozeanmonster: „Das Angebot ist derart abwechslungsreich, dass Langeweile garantiert ein Fremdwort bleibt.“ Wem um alles in der Welt kann bei einer sechstägigen Karibikkreuzfahrt langweilig sein?!!!! Jenen, die in den Tropen unbedingt eislaufen wollen und keine sechs Tage ohne Kunsteisbahn ertragen? Jenen, denen beim Spaziergang in San Juan die Sonne zu heiß und die Natur zu natürlich ist, weswegen sie die 20.000 Pflanzen im künstlichen Kreuzfahrtschiffspark zu besichtigen vorziehen? Tatsächlich gibt’s auch Leute, die den Landgang auf Guadeloupe nützen, um den Freizeitpark zu besuchen… ja, die weltweite Touristenbespaßungsmaschinerie erreicht ungeahnte Dimensionen. Deckt sie die Bedürfnisse der Urlauber oder weckt sie diese mit ihrem schnell wachsenden, ja explodierenden Angebot? Uns schreckt dieses Fast-Food-Reisen ab. Ist doch wie Fertigpizza. Viel künstliches Aroma, fix fertig serviert, austauschbar im Geschmack und wenn du sie oft genug isst, wird dir übel davon.

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Slow Travel der besondern Art, Ochsengespann in Tamil Nadu, Indien

Wie das so mit den letzen 5000 Trends des 21. Jahrhunderts ist, gibt es zu jedem einen Gegentrend. Während die Urlaubs-Burn-Out-Gefährdeten acht Tage All inclusive buchen, von einem Adventure zum nächsten hetzen, kein Abenteuer-Package auslassen und sämtliche Sehenswürdigkeiten auf ihrer Checkliste durchhecheln, fotografieren und abhaken, ist Slow Travel der Gegentrend. Ha! Wir sind ja doch trendig! Slow Travelling ist:

• individuell reisen

• Land und Menschen kennenlernen

• landestypisches Essen genießen

• Zeit nehmen, die Umgebung kennenzulernen

• an Orten sein, wo es kein Wifi gibt

Das alles werden wir bald machen und: wir haben noch Bonus-Material. Der Trend Slow Travel impliziert zwar nicht, mit einem langsamen Transportmittel unterwegs zu sein, wir tun das aber doch! In Fahrradgeschwindigkeit werden wir ein paar Tausend Meilen bezwingen. Slower geht’s nimmer.

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Slow Food, Tamil Nadu, Südindien

 

2 Kommentare

  1. Auf ein Kreuzfahrtschiff, jedenfalls auf ein grosses, kriegen mich keine 10 Pferde. Wenn ueberhaupt, dann ein kleines. Hier werden z.B. Schiffe mit 100 bis 150 Personen angeboten, und das auch noch mit einem z.T. wissenschaftlichen Begleitprogramm. Dafuer koennte ich mich schon erwaermen.
    Apropos Tourismus: frueher waren wir ja oft als Touristen hier in Fredericksburg, aber nun, nachdem wir hier hingezogen sind, schimpfen wir ueber „those damned tourists“. 😀

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