Das Sternenmessgerät sagt: Wir befinden uns am Hutsaulberg

Der Vorteil von langen Beinen: Man kann bei der mündlichen Physikprüfung an der Tafel völlig hohles Zeugs von sich geben, wenn der Lehrer mit dem stierem Starren auf deine Beine beschäftigt ist, ist dir die positive Note sicher. Ich gebe es zu, ich habe in meinen letzten vier Schuljahren niemals ins Physikbuch geschaut, geschweige denn eine Formel oder einen physikalischen Grundsatz gelernt. Stattdessen habe ich an den Tagen – mein Lehrer hatte mich netterweise immer vorgewarnt – an denen ich zur Tafel musste, einen Minirock getragen.

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Captain Christoph und sein neuer Sextant

Bisher bin ich mit meinen fehlenden Grundkenntnissen der Physik gut zurechtgekommen und konnte jegliche Aufgaben, wie Lichtschalter montieren oder Elektromotoren der ferngesteuerten Autos unserer Söhne reparieren, erfolgreich an den technisch begabten Mann an meiner Seite abgeben. Winkelmessgeräte sind angesichts meines technischen Vorlebens bis heute naturgemäß nicht meine Freunde. Dazu gehört auch der Sextant, für den sich der Captain sehr begeistern kann – im Gegensatz zu mir. Bobby Schenk schreibt: Astronavigation ist eine überaus einfache Sache. Sie verlangt keine besondere Intelligenz… Es scheint schlimm um mich zu stehen.

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Auf Sonnensuche mit dem Sextanten

Ich freue mich sehr über den intelligenten Captain von Maha Nanda. Der plant, einmal am Tag eine Standortbestimmung ohne Hilfe von GPS durchzuführen, hat bereits einen Astronavigation-Kurs absolviert, etliche Literatur geschmökert und ackert sich jetzt gerade mit Begeisterung durch Bobby Schenks „Astronavigation ohne Formeln, praxisnah“. Seit mir vor Jahren einmal das Wort „Sextant“ im Gespräch kurzfristig entfallen ist, heißt das Ding in unserem privaten Sprachalltag „Sternenmessgerät“. Letztens haben wir es zu Hause getestet und – soviel habe ich verstanden: Wir mussten zwei Fixpunkte ausmachen. Sonne und Horizont. Gut, der Tag war sonnig und Niederösterreich gehört nicht gerade zu den gebirgigsten Gegenden Österreichs.  Allerdings mussten wir um 12.07 Uhr mittags doch immerhin auf 274 Meter Seehöhe fahren, die höchste Erhebung in unserer an Erhebungen armen Gegend, um den Horizont zu sehen. Womit die Berechnung schon mal um eine zusätzliche Komponente bereichert wird, denn am Schiff ist ja schon die Augeshöhe von zwei Metern mitzuberücksichtigen. Das leuchtet sogar mir ein, die sich dunkel und mit äußerstem Widerwillen an trigonometrische Formeln des Mathematikunterrichts im Gymnasium erinnern kann.

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Sextant im Test

Während also Captain Christoph mit ewiglangen Rechnungen beschäftigt ist, kann ich anhand der Topografie in der Sekunde bewerten, ob dieselben zum richtigen Ergebnis führen. Nach Stunden der Berechnung ruft der Captain: „Wir befinden uns auf 48° 38′ Norden, 16° 47′ Osten!“ Ja, ich kann bestätigen, das Sternenmessgerät hat recht: wir sind am Hutsaulberg in Altlichtenwarth.

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Hutsaulberg, Altlichtenwarth, Niederösterreich

 

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