Räucherwerk und Bollywood: Indiens öffentlicher Verkehr – Teil 1

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Hast du schon mal im 13 A in Wien gelitten, weil die Luft zum Schneiden war, die Fahrgäste sich nicht von der Tür wegbewegten, sodass sich diese nicht schloss, dein Nachbar um sieben Uhr in der Früh mit Kebab und Zwiebeln deinen olfaktorischen Sinn beleidigte, ganz zu schweigen von dem Fetten, der nach zehn Tage altem Schweiß stank? Hast du schon mal die ÖBB verflucht, weil der verd… Zug zum dritten Mal in der Woche ausfiel oder weil er seit 20 Minuten am Bahnhof hielt und alle Schaffner, die man zur Ursache des unerwarteten Aufenthalts befragen hätte könnte, sich in geheime Geheimverstecke des Zugs zurückgezogen hatten, um sich nicht dem Unmut der Fahrgäste aussetzen zu müssen?

In Wahrheit ist der öffentliche Verkehr in Österreich großartig, superpünktlich, komfortabel und perfekt klimatisiert. Warum ich eine derart abstruse Behauptung aufstelle? Ich kenne den indischen Vergleich. Wer einmal in einer Riksha saß, während der Fahrer sich im Zickzack-Kurs zwischen Taxis, Bussen, Fußgängern und Kühen sowie auf der falschen Spur entgegenkommenden Autos durchschlängelte, wer mit einem Nachtbus über die Ghats gefahren ist, links und rechts Mütter mit Babys am Schoß, am Boden, dort wo deine Füße krampfhaft Halt suchten, sich die Köpfe der schlafenden Fahrgäste befanden, der Fahrer Vollgas bis zur Serpenine fuhr, eine Vollbremsung einlegte, runterschaltete und nach der Kurve wieder Vollgas gab, wer eine Zehn-Stunden-Fahrt im Bus ohne Fensterscheiben aber mit Bollywood-Schlager-Musik volle Dröhnung erlebt hat, der wünscht sich in den 13 A zurück.

Bomben-sicher

Ich fang mal mit den Bussen an und da rede ich nicht von Super-Deluxe-Reisebussen für All-Inclusive-Goldenes-Dreieck-in-einer-Woche-Touristen. Ich rede von Linienbussen. In Delhi fuhren wir mit einem, der hatte noch Holzsitze und auf jeder Rückenlehne stand mit weißer Farbe handgeschrieben: „Look under your seat, there might be a bomb“. In Tamil Nadu erwischten wir einmal einen Bus, in dem die Leute am Blechboden saßen. Sesseln sind nicht so üblich in den Bauerndörfern – Möbel werden überhaupt sparsam eingesetzt -, also fühlt man sich am Boden hockend einfach wohler als in den engen Sesseln im Bus. Der schepperte und quietschte übrigens so laut, dass der Fahrer auf die übliche Musikbeschallung verzichtete. Oder war die Musikanlage defekt? In Tamil Nadu hört man in den Bussen übrigens nur tamilische Filmsongs, in Nordindien sind Bollywood-Hits beliebt.

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Unsere allererste Busfahrt erlebten Christoph und ich in Nordindien, zwischen Jaipur und Ajmer. Wir waren nicht darauf vorbereitet, was uns erwartete. Zuerst zündete der Fahrer, nachdem alle Fahrgäste Platz genommen hatten, Räucherstäbchen an, verrichtete sein Gebet – Fahrerkabine und Windschutzscheibe waren mit Girlanden, Blumen und Götterbildern geschmückt -, dann drehte er Bollywood-Musik volle Pulle auf und gab Gas. Als hätte die infernalisch laute Beschallung nicht gereicht, rumpelte und dröhnte der ganze Bus und die wenigen verbliebenen Fensterscheiben schepperten. Falls jemand noch die Frage stellt: Nein, es gab keine Klimaanlage, wäre auch unnötig bei den vielen Fenstern ohne Scheibe.

Nachtfahrt ohne Schweinwerfer

Dann wurde es Nacht und wir stellten mit Schrecken fest, dass das Abblendlicht des Busses defekt war. Eine Kleinigkeit, von der sich der Fahrer nicht beirren ließ. Da die Straße sehr schmal war, drehte er, wenn uns ein anderes Fahrzeug entgegenkam, das Fernlicht ab, riss das Steuer nach links, lenkte ohne Beleuchtung in die Steppe neben der Straße fuhr mit unverminderter Geschwindigkeit weiter und rumpelte, sobald der Gegenverkehr vorbei war, wieder auf die Straße zurück, wo er das Fernlicht wieder aufdrehte.

Und jetzt von den schönen Dingen

Wir kamen wohlbehalten in Ajmer an, schworen uns, nie wieder in Indien Bus zu fahren und taten es noch oft. Schließlich gibt es auch positive Dinge über den öffentlichen Verkehr in Indien zu berichten. Die Verpflegung in den Bussen und Zügen außergewöhnlich gut, da können die ÖBB noch was lernen. In den Haltestellen steigen Verkäufer ein und gehen durch die Reihen. Du bekommst die feinsten Sachen: Süßgkeiten, Obst, Frittiertes, Gemüse in Backteig und natürlich Chai, der typische gesüßte Schwarztee mit viel Zucker. Allerdings haben die meisten Fahrgäste aus Kostengründen ihr eigenes Lunchpaket mit – in den klassischen Blechschüsseln, den Dabbas. Die Gewürzmischungen verströmen einen unbeschreiblichen Duft. Ich weiß nicht woran es liegt, aber indische Gerichte duften auch noch am nächsten Tag im kalten Zustand genauso gut wie frisch zubereitet. Ich weiß das, denn ich koche selbst oft indisch und wenn ich am nächsten Tag in der Früh den Topfdeckel hebe… Mmhmhm. Kein Vergleich zu Kebab-Gestank frühmorgens in den Wiener Linien. Sorry, aber wenn’s um Gerüche geht, bin ich heikel.

Was wir in den Zügen erlebt haben und wie Platzreservierung auf indisch funktiniert, davon erzähl‘ ich euch in meinem nächsten Blogeintrag.

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